Trainspotting: Roman (German Edition)
Johnny und schüttelt den gebeugten Kopf; ein kleiner Lachanfall erschüttert ihn.
Nach zwei Stunden hat er 26,78 Pfund zusammen. Läuft nicht schlecht, und die Arbeit ist leicht. Johnny ist gut im Warten; nicht mal British Rail an einem schlechten Tag könnte sein Junkie-Karma ruinieren. Wenn es allerdings abklingt, dann kündigt sich das mit einem eisigen Brennen an, das seinen Puls beschleunigt und seinen Poren einen dicken, giftigen Schweiß entlockt. Er will gerade zusammenpacken und gehen, als sich ihm eine dünne, zerbrechliche Frau nähert.
– Waren Sie bei den Royal Scots, mein Junge? Mein Brian war bei den Royal Scots, Brian Laidlaw.
– Ähm, Marines, Missis. Johnny zuckt mit den Schultern.
– Brian is nie zurückgekommen, Gott schütze ihn. Einundzwanzig war er. Mein Junge. Er war ein guter Junge. Die Augen der Frau füllen sich mit Tränen. Ihre Stimme sinkt zu einem konzentrierten Zischen herab, das in seiner Machtlosigkeit nur noch bedauernswerter klingt. – Wissen Sie, mein Junge, bis an mein Grab werd ich diese Thatcher hassen. Es vergeht kein Tag, an dem ich sie nich verfluche.
Sie holt ihr Portemonnaie heraus, entnimmt ihm eine Zwanzigpfundnote und drückt sie Johnny in die Hand. – Hier, mein Junge, hier. Das is alles, was ich hab, aber ich will, daß du es nimmst. Sie bricht in Schluchzen aus und stolpert davon; es wirkt fast so, als hätte jemand auf sie eingestochen.
– Gott schütze Sie, ruft Johnny Swan hinter ihr her. – Gott schütze die Royal Scots. Dann schlägt er bei der Aussicht, dem Methadon, das er schon hat, etwas Cyclozin hinzuzufügen, in die Hände. Psycho-Methadon-Cocktail: Seine Eintrittskarte zu den besseren Zeiten, jenem kleinen privaten Himmel, auf den die Uneingeweihten nur verächtlich herabschauen, von dessen Glückseligkeit sie aber nichts ahnen. Albo hat einen Vorrat an Cyclozin, hat er für seinen Krebs verschrieben bekommen. Johnny wird heute nachmittag seinen kranken Freund besuchen. Albo braucht Johnnys Kapseln so sehr wie Johnny dessen Psychos. Ein glückliches Zusammentreffen von Bedürfnissen. Ja, Gott schütze die Royal Kotz, und Gott schütze den staatlichen Gesundheitsdienst.
Abgang
Von einem Ort zum anderen
Die Nacht ist eklig und düster. Die schmutzigen Wolken hängen tief und warten nur darauf, ihre dunkle Fracht zum zigsten Mal seit Sonnenaufgang auf die darunter vorbeihuschenden Bewohner abzuladen. Der Busbahnhof wirkt wie das nach außen gestülpte und mit Öl übergossene Sozialamt. Eine Gruppe junger Leute, die von großen Träumen und kleinem Geldbeutel leben, stehen am Bussteig nach London trübsinnig schweigend Schlange. Billiger geht es nur per Daumen.
Der Bus kommt aus Aberdeen, mit Zwischenstopp in Dundee. Begbie kontrolliert stoisch die Sitzplatzreservierungen und fixiert dann mit bösem Blick die Leute, die schon im Bus sitzen. Dann dreht er sich um und schaut auf die Adidas-Tasche, die zu seinen Füßen steht.
Renton, der sich außerhalb von Begbies Hörweite befindet, wendet sich an Spud und nickt in Richtung ihres angespannten Freundes. – Der Arsch hofft doch bloß darauf, daß irgend n Idiot unsere Sitze besetzt hat; dann hat ern Vorwand, um Ärger zu machen.
Spud lächelt und hebt die Augenbrauen. Renton denkt, wenn man ihn so sieht, kommt man gar nicht darauf, welches Risiko sie eingehen. Sie haben das große Ding vor, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Er hatte den Schuß gebraucht, um seine Nerven zu stärken. Es war sein erster Schuß seit Monaten gewesen.
Begbie dreht sich um, seine Nerven liegen blank, wütend verzieht er das Gesicht, fast könnte man glauben, er könne ihre Respektlosigkeit spüren. – Wo zum Teufel is Sick Boy?
– Ähm, ich hab nich die leiseste Ahnung, sagt Spud und zuckt mit den Schultern.
– Wird schon kommen, sagt Renton und reckt sein Kinn in Richtung Adidas-Tasche. – Zwanzig Prozent von dem Stoff da drin gehörn schließlich ihm.
Das löst einen Panikanfall aus: – Brüll gefälligst nich so rum, du Blödmann! zischt Begbie Renton an. Er sieht sich um, starrt die Mitreisenden an, hegt den verzweifelten Wunsch, daß einer, wenigstens einer, seinen Blick erwidert, um zur Zielscheibe seiner Wut zu werden, die ihn zu überwältigen droht, scheißegal, was dann kommt.
Nein. Er muß sich zusammenreißen. Es steht zuviel auf dem Spiel. Alles steht auf dem Spiel.
Aber niemand sieht zu Begbie hin. Die, die ihn überhaupt wahrnehmen, spüren die Spannung, die von ihm ausgeht. Sie
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