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Trainspotting: Roman (German Edition)

Trainspotting: Roman (German Edition)

Titel: Trainspotting: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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setzen jene Gabe der Menschen ein, so zu tun, als seien Verrückte unsichtbar. Selbst seine Kameraden erwidern seinen Blick nicht. Renton hat sich seine grüne Baseballmütze über die Augen gezogen. Spud, der das Trikot der irischen Nationalmannschaft trägt, beobachtet eine Rucksacktouristin mit blonden Haaren, die gerade ihren Rucksack abgeschnallt hat und den Blick auf die über dem Po spannende Jeans freigibt. Second Prize, der sich ein wenig abseits von den anderen hält, trinkt; er hält seinen beschützerischen Blick auf den ziemlich großen Alkoholproviant gerichtet, der sich in zwei weißen Plastiktüten zu seinen Füßen befindet.
    Jenseits des Busbahnhofs, hinter der Schuhschachtel, die sich Pub schimpft, unterhält sich Sick Boy mit einem Mädchen namens Molly. Sie ist Prostituierte und HIV -positiv. Nachts hängt sie manchmal am Bahnhof rum und hält Ausschau nach Kundschaft. Molly ist in Sick Boy verliebt, seit sie vor ein paar Wochen in einer heruntergekommenen Disco-Bar in Leith herumgeknutscht haben. Sick Boy hatte im Suff über die Übertragbarkeit von HIV geredet und, um seine Argumente zu bekräftigen, den Großteil des Abends damit verbracht, mit ihr zu knutschen, Zungenkuß. Später waren ihm die Nerven durchgegangen, und er hatte sich ein halbes dutzendmal die Zähne geputzt, bis er sich dann zu einer schlaflosen, angsterfüllten Nacht hinlegte.
    Sick Boy steht hinter dem Pub und beobachtet seine Freunde. Er will die Idioten warten lassen. Er will sicher gehen, daß keine Bullen auftauchen, bevor sie in den Bus steigen. Wenn, dann können die Arschlöcher ohne ihn fahren.
    – Leih mir doch mal nen Zehner, bittet er Molly, obwohl er weiß, daß er Stoff für dreieinhalbtausend Pfund in der Adidas-Tasche hat. Das ist aber Vermögen. Mit dem Baren haperts eben.
    – Hier. Die Art, wie Molly ohne zu fragen in ihr Portemonnaie greift, rührt Sick Boy beinahe an. Dann bemerkt er mit Verbitterung, wie prall ihre Börse ist, und verflucht sich innerlich dafür, nicht zwanzig gesagt zu haben.
    – Ciao, Baby… also, ich überlaß dich jetzt mal deinen Kunden. Die Großstadt ruft. Er wuschelt ihr durch die Locken und küßt sie; diesmal aber nur kurz auf die Wange.
    – Ruf mich an, wenn du wieder zurück bist, Simon, ruft Molly ihm hinterher und schaut zu, wie sein dürrer, aber kräftiger Körper davongeht. Er dreht sich um.
    – Da soll mich mal einer dran hindern, Baby, soll bloß einer versuchen. Paß auf dich auf. Er zwinkert ihr zu und lächelt sie offen und warm an, bevor er sich umdreht.
    – Versaute kleine Nutte, murmelt er bei sich, und sein Gesicht erstarrt zu einer verächtlichen Grimasse. Molly ist Amateurin, bei weitem nicht zynisch genug für das Spiel, bei dem sie mitmacht. Das totale Opfer, denkt er in einer merkwürdigen Mischung aus Mitleid und Verachtung. Er verschwindet um die Ecke und geht zu den anderen, wobei er den Kopf hin und her dreht in dem Versuch, einen Bullen zu erkennen.
    Er ist nicht sehr erfreut über das, was er sieht, als sie sich bereitmachen, in den Bus zu steigen. Begbie beschimpft ihn, weil er zu spät kommt. Auf diesen Mistkerl mußte man immer aufpassen, und bei dem, was auf dem Spiel stand, war er noch angespannter als sonst. Sick Boy erinnerte sich an die bizarren Notfallpläne, die Begbie auf der improvisierten Party ausgebrütet hatte, die sie letzte Nacht gefeiert hatten. Seine Wutausbrüche brachten sie noch alle lebenslänglich in den Knast. Second Prize war schon ziemlich betrunken, aber das war nicht anders zu erwarten gewesen. Andererseits, was für ein besoffenes Gelaber hatte er denn schon von sich gegeben, als sie noch gar nicht hier gewesen waren? Wenn er nicht weiß, wo er ist, wie zum Teufel kann man dann von ihm erwarten, daß er weiß, was er sagt? Die ganze Geschichte stinkt doch zum Himmel, findet er, und ein Angstschauder durchzuckt ihn.
    Was Sick Boy aber am meisten auf die Nerven geht, ist der Zustand, in dem sich Spud und Renton befinden. Sie sind offensichtlich bis an die Kiemen zugeknallt. Wieder mal typisch für diese Arschlöcher, völlig breit zu sein. Renton, der seit Ewigkeiten clean war, lange bevor er seinen Job in London geschmissen hatte und wieder zurückgekommen war, konnte diesem unverschnittenen kolumbianischen Braunen nicht widerstehen, mit dem Seeker sie versorgt hatte. Das war der einzig wahre Stoff, so hatte er argumentiert, eine einmalige Gelegenheit für einen Edinburgher Junkie, der an das billige pakistanische

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