Trainspotting: Roman (German Edition)
und Johnny hatte das mit dem Gleichgewicht noch nicht ganz raus. Aber nachdem er sich ein paarmal geschnitten hat, legt er ein ganz passables Ergebnis hin. Er ist entschlossen, sich nie wieder in den Rollstuhl zu setzen, soviel steht fest.
– Jetzt aber raus auf die Platte, sagt er bei sich, während er sein Gesicht im Spiegel besieht. Johnny sieht sauber aus. Das war kein gutes Gefühl, und die Arbeit daran hat ihn viel Mühe gekostet; aber die Leute erwarten von einem alten Soldaten ein gewisses Niveau. Er fängt an, A Scottish Soldier zu pfeifen; er treibt das Spielchen noch ein bißchen weiter und salutiert zackig vor seinem Spiegelbild.
Der Verband an seinem Stumpf macht Johnny Sorge. Er sieht dreckig aus. Mrs. Harvey, die Gemeindeschwester, kommt heute, um ihn zu wechseln, und sie wird ihm zweifellos noch ein paar ausgesuchte Worte über Körperpflege mit auf den Weg geben.
Er begutachtet sein anderes Bein. Es war nie das beste der beiden. Das Knie war nicht in Ordnung; ein Überbleibsel von einer Fußballverletzung, die schon ewig zurückliegt. Es wird noch schlimmer werden, jetzt, wo sein ganzes Gewicht darauf lastet. Er hätte sich den Schuß besser in die Arterie in diesem Bein gesetzt, denkt er; sollte das doch den Wundbrand kriegen und amputiert werden. Der Fluch des Rechtshänders, grübelt er.
Draußen auf den kalten Straßen schwingt und schlingert er zur Waverley Station. Jeder Schritt tut ihm weh.Der Schmerz kommt nicht aus seinem Stumpf, sondern scheint seinen ganzen Körper erfaßt zu haben; die beiden Methadon-Kapseln und die Barbiturate, die er geschluckt hat, dämpfen den Schmerz aber etwas. Johnny baut sich am Ausgang Market Street auf. Auf seinem großen Stück Pappe steht in schwarzen Buchstaben:
FALKLANDVETERAN – ICH HABE MEIN BEIN FÜR DAS VATERLAND GEOPFERT. BITTE HELFEN SIE.
Ein Junkie namens Silver, Johnny weiß nicht, wie er wirklich heißt, kommt in abgehackten Bewegungen auf ihn zu.
– Haste was Stoff, Swanney? fragt er.
– Da läuft nix, Kumpel. Raymie is für Samstag angesagt, hab ich jedenfalls gehört.
– Samstag is nich gut, keucht Silver. – Dieser beschissene Affe auf der Schulter braucht Futter.
– Der Weiße Schwan is Geschäftsmann, Silver, zeigt Johnny auf sich. – Wenn er was zu verkaufen hätte, würd ers auch tun.
Silver sieht niedergeschlagen aus. Um seinen grauen, ausgemergelten Körper schlabbert ein verdreckter schwarzer Mantel. – Hab meine ganze Methadonration schon auf, stellt er fest, ohne auf Anteilnahme zu schielen. Dann leuchten seine toten Augen ein wenig auf. – Heh, Swanney, machste damit eingtlich Schotter?
– Eine Tür geht zu, eine andere auf, lächelt Johnny, als Zähne faulende Stümpfe in seinem Mund. – Hier mach ich mehr Mäuse als beim Dealen. Und jetzt mußte mich entschuldigen, Silver, ich muß hier meinen verdammten Lebensunterhalt verdienen. N aufrechter Soldat wie ich sollte sich nich mit Junkies blicken lassen. Bis bald.
Silver kriegt seine Kommentare kaum mit, geschweige denn, daß er sauer wird.
– Dann mach ich mich mal auf n Weg zur Klinik. Vielleicht verkauft mir irgend n Arsch sein Methadon.
– Ciao, ciao, ruft ihm Johnny hinterher.
Seine Geschäfte gehen ganz gut. Manche lassen heimlich ein paar Münzen in den Hut fallen. Andere, die es einfach abscheulich finden, wie sich das Elend in ihr Leben schleicht, wenden sich ab oder schauen resolut nach vorn. Frauen geben mehr als Männer; junge mehr als ältere; Leute, die selber ärmlich aussehen, scheinen generöser zu sein als die wohlhabend Wirkenden.
In seinem Hut landet eine Fünfpfundnote. – Gott segne Sie, Sir, sagt Johnny.
– Keine Ursache, sagt ein Mann mittleren Alters. – Wir stehen in eurer Schuld, Jungs. Es muß furchtbar sein, so jung einen solchen Verlust hinnehmen zu müssen.
– Ich bedauer nix. Man darf nich verbittert werden, Mann. So is eben meine Einstellung. Ich liebe mein Land; ich würds wieder tun. Außerdem halt ich mich für einen der Glücklichen; ich bin zurückgekommen. Hab n paar gute Kumpel bei Goose Green verloren, das kann ich Ihnen sagen. Johnny setzt einen glasigen, abschweifenden Blick auf; er glaubt es schon fast selbst. Er wendet sich wieder dem Mann zu. – Aber Menschen wie Sie kennenzulernen, die sich dran erinnern und die sich sorgen, das gibt allem einen Sinn.
– Viel Glück, sagt der Mann leise, bevor er sich abwendet und die Stufen zur Market Street hinaufgeht.
– Beschissener reicher Arsch, murmelt
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