Trainspotting: Roman (German Edition)
wird Tommy dabei immer häufiger Ärger kriegen. Seine Freunde werden immer weniger werden, je nötiger er sie hat. Die verkehrte, perverse Mathematik des Lebens.
– Du hast n Test gemacht, sagt er.
– Ja.
– Sauber?
– Ja.
Er schaut mich an. Er guckt wütend und flehend, beides zugleich.
– Du hast doch öfter gedrückt als ich. Und die Bestecke geteilt. Das von Sick Boy, von Keezbo, Raymie, Spud, Swanney… du hast Mattys Besteck benutzt, verdammt. Jetzt sag bloß nich, du hast Mattys Besteck nich benutzt!
– Ich hab nie geteilt, Tommy. Das behauptet jeder, aber ich hab nie geteilt, jedenfalls nicht in den Schießbuden, sag ich zu ihm. Komisch, Keezbo hatt ich ganz vergessen. Der sitzt schon seit zwei Jahren. Wollt den Arsch schon ewig mal besuchen. Aber das werde ich wohl nie schaffen.
– Scheiße! Du Arsch! Klar haste geteilt! Tommy beugt sich vor. Er fängt an zu flennen. Ich weiß noch, ich hab gedacht, wenn er damit anfängt, heul ich gleich mit. Aber ich kriege bloß eine häßliche würgende Wut.
– Ich hab nie geteilt, sage ich und schüttel den Kopf.
Er lehnt sich zurück und lächelt in sich hinein, schaut mich nich mal an und spricht ganz nachdenklich und ohne Verbitterung.
– Schon komisch, wie das alles so kommt, was? Du und Spud und Sick Boy und Swanny, ihr habt mich auf Äitsch gebracht. Ich hab immer dagesessen und mir mit Second Prize und Franco einen getrunken und über euch gelacht, hab euch die blödesten Idioten unter der Sonne geschimpft. Und dann hab ich mich von Lizzy getrennt, weißte noch? Bin bei dir vorbeigekommen. Ich hab dich um nen Schuß angehauen. Ich dachte, scheiß drauf, man muß alles mal probiert haben. Seitdem probier ichs die ganze Zeit.
Ich konnte mich noch dran erinnern. Verdammt, das war erst n paar Monate her. Manche armen Schweine werden eben einfach schneller süchtig als andere. Genau wie Second Prize mit dem Suff. Tommy hat sich wie wild auf den Stoff gestürzt. Das Heroin kann keiner wirklich kontrollieren, aber ich kenn n paar, mich eingeschlossen, die damit zurechtkommen. Ich hab schon n paarmal aufgehört. Aufhören und wieder anfangen, das is wie Gefängnis. Jedesmal, wenn du in den Knast kommst, wird die Wahrscheinlichkeit immer geringer, daß du von so einem Leben je wieder loskommst. Und jedesmal, wenn du mit Sgag anfängst, isses genau dasselbe. Deine Chancen, je wieder ohne leben zu können, werden immer geringer. Hab ich Tommy ermutigt, den ersten Schuß zu nehmen, bloß weil ich das Besteck rumliegen hatte? Schon möglich. Wahrscheinlich. Is das meine Schuld? Ja.
– Tut mir echt leid, Tommy.
– Ich weiß einfach nich, was ich machen soll, Mark. Was soll ich bloß machen?
Ich sitz einfach da, den Kopf leicht gesenkt. Leb dein Leben weiter, wollte ich zu Tommy sagen. Mehr kannste nich machen. Paß auf dich auf. Vielleicht kriegstes ja nich. Schau dir Davie Mitchell an. Davie is einer von Tommys besten Freunden. Er hat AIDS , dabei hat er sein Lebtag kein Heroin genommen. Er führt ein normales Leben, so normal wie jeder andere, den ich kenn.
Aber ich weiß, daß Tommy es sich nich leisten kann, seine Bude zu heizen. Tommy is nich Davie Mitchell, und Derek Jarman schon gar nich. Tommy kann sich nich in ne Seifenblase hocken, im Warmen leben, gute frische Sachen essen, sich mit neuen Herausforderungen fit halten. Der wird keine fünf oder zehn oder fünfzehn Jahre leben, bis eine Lungenentzündung oder Krebs ihn allemacht.
Tommy wird den Winter in West Granton nicht überleben.
– Tut mir leid, Mann. Tut mir wirklich leid, wiederhole ich bloß.
– Haste was dabei? fragt er, hebt den Kopf und schaut mich an.
– Ich bin sauber, Tommy. Er grinst nich mal verächtlich, als ich das sage.
– Gib mir n bißchen Kohle, Kumpel. Ich muß bald die Miete abdrücken.
Ich wühl in den Taschen und zieh zwei verknüllte Fünfpfundnoten heraus. Ich denke an Mattys Beerdigung. Die Chancen stehen gut, daß Tommy als nächster dran is und keiner was dagegen tun kann. Ich schon gar nich. Tommy nimmt das Geld. Unsere Blicke begegnen sich, und irgend etwas blitzt zwischen uns auf. Ich kann nich sagen, was, aber es ist was richtig Gutes. Es dauert bloß einen Augenblick; dann isses weg.
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