Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
mein Ohrläppchen,
das postwendend zu kribbeln begann. Meine Finger verknoteten sich ineinander und
die nervöse Röte auf meinen Wangen breitete sich auf das restliche Gesicht aus.
»Wenn ich mich hier einrichte, sitze ich auf einem Pulverfass, tagein, tagaus, mit
Drogen unter dem Hintern. Und ich muss der Versuchung widerstehen können, das ganze
halluzinogene Zeug einfach räumen zu lassen, um mich aus dem Fadenkreuz der Rauschgiftpolizei
zu bringen. Denn eins ist sicher: Wenn die Bombe platzt, bin ich genauso dran wie
du.«
Metins Zähne
knirschten so laut, dass man es noch vor der Ladentür hören müsste. »Willst du mich
erpressen?«
»Nein«,
sagte ich. »Natürlich nicht! Aber ich denke, ich hätte eine gewisse Entlohnung für
meine Bemühungen verdient, dich nicht in den Knast zu bringen. Monatlich, versteht
sich.«
» Ich soll dir Schweigegeld zahlen?« Er lachte hysterisch. Tränen schossen aus
seinen Augen und sein Hals begann anzuschwellen.
Zeit zu
gehen. Ich stand auf. »Wir sehen uns Montag«, sagte ich. »Und bis dahin hat Ragip
das Zündschloss gefälligst wieder eingebaut.«
»Das Zündschloss
nützt dir nichts. Der Twingo ist Schrott. Kolbenfresser. Frag Ragip.«
Ich stand
still, meine Hände ballten sich zu Fäusten und meine Kieferknochen traten hervor.
»Wo bist
du eigentlich die ganze Zeit gewesen?«, fragte er.
Doch ich
antwortete nicht, sondern tat einen tiefen Atemzug, schloss für einen Moment die
Augen und ging hinaus.
5.
Die Räder der Straßenbahn 306 in
Richtung Wanne-Eickel ruckelten quietschend über die Schienen. Der Lokführer nahm
die Kurven hart und bremste nur für Signallichter, da er spät dran war. Die Köpfe
der Passanten schlackerten in den Kurven wie die einer Horde Wackeldackel, festgetackert
auf ihren Sitzen. Der Regen schmiss fette Tropfen gegen die Scheibe. Mein Gegenüber,
ein rundgesichtiger Teenager, augenscheinlich Autist, atmete weiße Schwaden gegen
das Glas. Der Kragen seiner Skijacke war bis zum Anschlag aufgestellt und überdeckte
seine Ohren. Die Heizung im Wagen war ausgeschaltet.
Ich hatte
Metin erpresst.
Nie zuvor
hatte ich etwas von jemandem erpresst. Schon gar kein Geld. Ein paar Hausaufgaben
vielleicht. Oder ein gutes Wort für mich beim Pfarrer, als dieser mich beschuldigte,
den kirchlichen Briefkasten aufgebrochen und die darin enthaltenen Briefmarkenspenden
mitgenommen zu haben. Dabei konnte ich nicht einmal das Schloss eines Kindertagebuches
knacken. Dass ich mal Schweigegeld erpressen würde, hätte ich mir in meinen kühnsten
Teenagerträumen nicht ausgemalt. Ganz zu schweigen davon, dass ich nicht einmal
ein schlechtes Gewissen hatte.
Aber fest
stand: Metin schuldete mir Geld. Provisionen, Schadenersatz für den Wagen, Schmerzensgeld
für mich. Darüber täuschte auch seine aktuelle Misere mit Pankowiak und der Pornogarage
nicht hinweg. Mir tat es leid für ihn, dass seine Geschäfte darunter litten. Doch
seine miese Art, mir den Schwarzen Peter zuzuschieben und meine Schuldgefühle für
seine Sache zu missbrauchen, war alles andere als bemitleidenswert. Fakt blieb nach
wie vor: Ich war pleite. Und dass dies so war, war zu einem großen Teil auch Metins
Schuld. Wüsste die EU von seinen Gehaltsmauscheleien und seiner Arbeitgebermoral,
würde sie Sanktionen gegen ihn verhängen. Und genau dieses Exempel wollte ich an
ihm statuieren, sprich: Sanktionen verhängen, und zwar monatlich. Ganz nach dem
Credo: Wer frei sein will, muss zahlen.
Als ich die Bahn an der Haltestelle
Amtsstraße verließ, schossen Regentropfen pfeilartig auf mich herab und explodierten
kalt auf meinem Schädel. Schnell zog ich die Jacke über meinen Kopf und rannte die
Dorstener Straße hinunter, nicht ohne diversen Pfützen und Passanten mit Mordsschirmen
auszuweichen. Als ich mein Wohnhaus erreichte, versuchte ich den nassen Herbst abzuschütteln
und das Wasser, das sich auf meiner Jacke in einer Lache gesammelt hatte, ergoss
sich vor meine Füße. Ich peste die Treppe hinauf, warf die Schuhe von den Füßen
und spazierte ohne Umwege ins Bad, um mir heißes Wasser in die Wanne einzulassen.
Das deutsche Wetter war deprimierend. In Ungarn herrschten zurzeit zwar nur knapp
20 Grad. Doch die gefühlten fünf, die da draußen in Bochum wehten, grenzten beinahe
an Körperverletzung. Ich musste mich aufwärmen, meinen Kopf entlüften und dringend
über ein paar Dinge nachdenken.
Ich kippte
eine Handvoll Lavendelöl in das Badewasser, verrührte es mit meinen
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