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Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Trallafitti: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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kaum Gelegenheit dazu. Brülling war
ein Mann jenseits der 40, vielleicht Ende 50, blond, mit einem erkennbaren Grauhaarüberschuss.
Sein Gesicht zeigte starke Stirnfalten, seine Mundwinkel hingen müde herunter. Er
hatte einiges mehr an Gewicht als sein Bruder. Sein kaputtes Bein sah völlig intakt
aus, obwohl ich nicht wusste, was ich erwartet hatte. Ein Holzbein? Eine Robocop-Prothese?
    »Wie war
es auf der Beerdigung?«, fragte ich.
    Er sah an
mir vorbei. »Keine Ahnung. Ich war nicht da.«
    »Warum nicht?«
Ich zögerte. »Schließlich war er Ihr Bruder.«
    Er knetete
seine Oberschenkel, was ich als Vorstufe von Verärgerung einordnete. »Beerdigungen
sind etwas für Weicheier.«
    Ich biss
mir auf die Unterlippe. Während meiner bisherigen glorreichen Karriere als ›Toastmörderjägerin‹,
wie Versicherungsdetektive im Fachjargon gerne genannt wurden, war ich mehr als
einmal einem Lügner gegenüber gestanden. Und im Falle von Brülling war ich mir äußerst
sicher: Der Mann sagte nicht die Wahrheit.
    Mehr noch,
es schien an seinem Gewissen zu nagen, dass er der Beerdigung ferngeblieben war.
    »Ihr Nichterscheinen
war aber nicht zufällig Teil Ihres Versteckspiels, oder?«
    »Wollen
Sie mir irgendetwas vorwerfen, Frau Roloff?«
    »Kommt ganz
drauf an, ob Sie es für normal halten, nachts Leute aus dem Bett zu klingeln, mit
ihnen im Dunkeln zu quatschen und der Schwägerin allein die Nachlassverwaltung des
toten Bruders zu überlassen. Dabei fällt mir ein: Was macht eigentlich Ihr Bruder
Wolfgang?«
    Seine Stimme
wurde tiefer. »Arthur und Wolfgang waren sich nicht besonders nah.«
    Ich ersparte
mir die Frage, ob wenigstens er zur Beerdigung erschienen war. Oder ob er überhaupt
wusste, dass sein Bruder tot war. »Sie erzählten mir, Arthur fühlte sich verfolgt.
Kann es sein, dass nicht nur Arthur, sondern auch Sie sich in letzter Zeit
ein klein wenig verfolgt fühlen?« Mit Daumen und Zeigefinger deutete ich die Größenordnung
einer Büroklammer an.
    »Ich gehe
nur auf Nummer sicher.«
    »Übertreiben
Sie es damit nicht ein wenig?«
    »Ich bin
einfach gründlich. Das kommt auch Ihnen zugute.«
    Ich empfand
keine besondere Dankbarkeit. Nicht nur, dass er mir den Schlaf raubte. Hätte es
jemand auf mich abgesehen, wäre er schon längst aufgetaucht. Immerhin war Arthur
nicht irgendwo im Gebüsch, sondern mit allem Blaulicht- und Polizeitrara vor meiner
Wohnung gestorben. Das dürfte selbst der halb toten Eintagsfliege im Hauskeller
nicht entgangen sein.
    Er räusperte
sich. »Was ist mit Ihnen? Waren Sie bei der Beerdigung?«
    »Ich habe
nur aus der Entfernung zugesehen. Ilona Brülling hätte meine Anwesenheit sicher
nicht gefallen.« Ich erwartete Rückfragen, ob es ›schön‹ war, ob sie Arthurs Lieblingssong
gespielt oder ob Hinz und Kunz den Zug begleitet hatten. Doch es folgte nichts dergleichen.
    »Gibt es
irgendwelche Neuigkeiten?«
    Ich informierte
ihn über Ansmanns überzogene Theorie mit der vergifteten Pizza und dass ich plante,
demnächst mit Gregor in Arthurs Wohnung nach weiteren Hinweisen zu suchen.
    Er nickte
langsam und geschmeidig. »Erscheint mir sinnvoll. Arthur war ein Gourmet. Er kaufte
nie Tiefkühlware. Eher überzog er das Konto.« Über Gregor verlor er kein Wort.
    »Glauben
Sie etwa auch an die vergiftete Pizza?«
    »Man muss
jedem brauchbaren Hinweis nachgehen«, wiederholte er Ansmanns Monolog. »Fälle lösen
sich nicht einfach so, sondern nur durch gründliche Polizeiarbeit. Wenn ein Fall
nicht aufgeklärt wird, war der Täter nicht clever, sondern der Polizist einfach
nicht gründlich genug.«
    Da war er
wieder, der Superbulle a. D.
    »Haben Sie
eine Empfehlung, wo wir als Erstes suchen sollten? Hatte Arthur eine Lieblingspizzeria?«
    »Nein. Ich
habe schon vor Jahren aufgehört, Teil seines Alltags zu sein.«
    Ich starrte
in meinen Tee, beide Hände umfassten die Tasse. Ich versuchte, sie so sanft zu schaukeln,
dass das Wasser gerade noch den Tassenrand berührte. Schon nach wenigen Augenblicken
lief die heiße Suppe über meine Hand, doch ich ließ mir den Schmerz nicht anmerken.
    »Und?«,
fragte er. »Wie war die Beerdigung?«
    Zwangsläufig
musste ich lächeln. Dass er fragte, machte ihn ein wenig sympathischer. »Sie war
einem Brülling gerecht.«
    Er nickte
eifrig, wohl auch, um seine Trauer abzuschütteln. Mir entging jedoch nicht, dass
er den Tränen nahe war.
    Ich versuchte
ihn abzulenken. »Ich habe Gregor gestern auf dem Friedhof getroffen. Ich mache mir
Sorgen

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