Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
wahr, die bereits in dem einen oder anderen Winkel
Anwendung gefunden hatte.
»Glaubst
du, ich rupf auch noch die Tackerscheiße raus? Das Ding hat 130 Euro gekostet. Bei
dem Preis sollte es den verkackten Teppich fressen!« Sein Kopf begann zu glühen.
»Dann gib
mir das Zeug. Ich verbrenne es bei meinen Eltern im Ofen.«
»Das hättest
du wohl gern!«, keifte er. »Papierzeug, mit dem du noch mehr Geld aus mir rauspressen
kannst.«
Ich verdrehte
die Augen. »Wo ist Corinna?«
»Hab sie
rausgeschmissen.«
Ich wurde
leichenblass. »Du hast sie gefeuert?«
»Nein. Ich
habe sie nach Hause geschickt. Die Trulla hat hier nur gestört.« Er kroch unter
den Tisch und stellte den Schredder wieder hin. Dann begannen seine Fleischfinger,
ein Papierfetzen nach dem anderen zwischen den Messern herauszupopeln.
»Sie kann
den Schredder bedienen«, sagte ich.
»Ja, und
außerdem kann sie lesen.«
Da war was
dran. »Hast du ihr etwas über unsere Vereinbarung erzählt?«
»Ja. Hat
gleich Halligalli gemacht.« Er ließ seinen Zeigefinger schwingen. »Wenn du nicht
aufpasst, tanzt sie dir auf der Nase herum. Denk an meine Worte: Du musst sie an
der kurzen Leine halten. Bloß keine Gefühle zeigen!« Er rümpfte die Nase. »Und gewöhn
dir diese Angst ab. Die kann sie schon aus 300 Metern Entfernung riechen.«
»Meine Güte!
Du redest von ihr, als sei sie ein Hund!«
»Kein Hund«,
sagte er. »Ein Vampir. Ein Blutsauger.« Er stand auf und öffnete eine Schublade.
»Hier.« Er hielt mir einen kleinen flachen Messingschlüssel hin.
»Für den
Waffenschrank?«
»Das hättest
du wohl gern.« Er zog den Arm zurück. »Komm mit.« Metin schnaufte um seinen Tisch
herum und wackelte in den kleinen Nebenraum, in welchem sich eine geschätzt 30 Jahre
alte Pantryküche für die Belegschaft sowie zwei Spinde befanden, einschließlich
des bereits leergeräumten Spinds für seine kleine Waffensammlung. Metin drückte
seinen Kugelbauch gegen die Türen des verschlossenen Blechschränkchens und stocherte
mit dem Schlüssel im Vorhängeschloss herum. »Das hier wirst du brauchen.« Das Schloss
schnappte auf und er zog die Türen auf.
Ich wollte
meinen Augen nicht trauen. »Was zum Teufel ist das?«
Der Stolz
in Metins Stimme war kaum zu überhören. »Meine Steuerunterlagen.«
Ich nickte
nur stumm. Mein Magen meldete sich mit Sodbrennen.
Der Spind
war voll mit Ordnern. Er war sogar so voll mit Ordnern, dass sich die am äußersten
Rand befindlichen Ordnerrücken durch die Türscharniere zu verbeulen begannen. Doch
erschreckender war die Akribie, mit welcher das Sortiment betüddelt worden war:
maschinell bedruckte Rückenschilder, Klebepünktchen in Signalfarben sowie wegradierte,
einst mit Lineal gezogene Bleistiftlinien. Die Ordner waren chronologisch nach Bescheiden,
Forderungen und Verbindlichkeiten sortiert. So etwas Vernünftiges, Sinnvolles und
Nachvollziehbares war mir in diesem Laden bis dato nicht über den Weg gelaufen.
Fast war es so, als befände sich hinter diesen Metalltüren ein selbstständiger sowie
äußerst empfindlicher Mikrokosmos.
Eine Welt
voller außerirdischer Papiere.
»Sag mir
jetzt nicht, dass du das gemacht hast.«
Beinahe
lachte er. »Bist du wahnsinnig? Wenn ich auch nur das Wort ›Finanzamt‹ höre, kriege
ich Dünnschiss. Ich rühre diesen Kram nicht an, Mann.«
In Gedanken
wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. Punktlandung für Corinna.
»Das macht
alles mein Steuerberater.«
Beinahe
fiel mir die Kinnlade runter. » Du hast einen Steuerberater?«
»Ja klar.«
Wie ein dicker Flaschengeist verschränkte er die Arme vor der Brust. »Oder glaubst
du, Türken müssen keine Steuern zahlen?«
Ich antwortete
nicht darauf. »Und was kostet dieser Steuerberater?«
Er schnalzte
mit der Zunge. »Kommt ganz drauf an.«
»Worauf?«
»Auf den
Service.« Er zwinkerte. Dann stopfte er sich Daumen und Zeigefinger zwischen die
Lippen und stieß einen kurzen, schrillen Pfiff aus. »Viktor!«
Es dauerte
keine fünf Sekunden, bis ein schmächtiger kleiner Kerl mit kurzen braunen Haaren
und Seitenscheitel zu uns ins Kämmerchen stieß. Er war einer der beiden Arbeiter,
die sich mit Messerrollern über den Teppich im Nebenraum hermachten. Seine blauen
Augen waren schmal, fast schlitzartig, aber nicht asiatisch. Sie standen eng beieinander
und drückten gegen die ausgeprägte Kolbennase. Er hatte volle Lippen und buschige
Brauen, die er sicherlich regelmäßig zähmen musste, damit sie in der Mitte
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