Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Trallafitti: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
Vom Netzwerk:
wenn meine Schenkel im direkten
Vergleich zweifellos verlieren würden. Unterhalb der Boxershorts waren seine Beine
lädiert. Zahlreiche lange Schnittnarben zogen sich horizontal über die Haut – als
hätte man tiefe Kerben rundum in zwei Baumstämme geritzt. Die Narben waren schlecht
verheilt und wölbten sich wie alte Rinde nach oben. »Du solltest bei der Geisterbahn
anfangen«, sagte ich.
    »Ich habe
Abitur. Ich bin für den Job überqualifiziert.« Seine Mundwinkel verzogen sich zu
einem Grinsen.
    »Stell bitte
die Flasche weg«, sagte ich.
    »Warum?
Hast du Angst, ich könnte sie fallen lassen und mich an den Scherben ritzen?«
    »Ich denke,
dass du deine Grenze mittlerweile überschritten hast.«
    Er richtete
den Finger auf mich. »Und ich denke, dass du von nichts eine Ahnung hast.«
    Ich tat
einen Schritt auf ihn zu und griff nach der Flasche, doch er zog den Arm weg, nicht
ohne die andere Hand flach und warnend in meine Richtung zu heben. Ich hasste es,
wenn er dies tat.
    »Bist du
jetzt fertig damit, dich selbst zu bemitleiden?«, fuhr ich ihn an.
    »Nein. Ich
habe noch gar nicht richtig angefangen.«
    »Dann fasse
dich bitte kurz. Es gibt Menschen da draußen, die haben größere Probleme als sich
um die nächste Flasche Fusel zu sorgen.«
    »Für was
hältst du mich?«, brüllte er mich an. »Für einen Säufer?«
    »Du gerätst
allmählich aus der Spur«, erwiderte ich nur.
    »Scheiße
noch mal, Esther. Meinen Schwager hast du tot im Hausflur gefunden! Ermordet. Und
seine Tochter streift irgendwo in der Gosse herum und versteckt sich. Ich habe keine
Ahnung, wie es ihr geht, wie ich sie finden kann oder ob ich ihr überhaupt einen
Gefallen damit tue, nach ihr zu suchen. Nicht, weil irgendein bewaffneter Dreckskerl
versucht hat, mich davon abzuhalten. Nein, ihre eigene Mutter will es nicht! Ich
habe ein gottverdammtes Recht, aus der Spur zu geraten, meinst du nicht?«
    »Denkst
du, Ilona weiß, dass Arthur Opfer eines Verbrechens wurde?«
    »Ich weiß
es nicht. Aber ich weiß, dass sie eine Scheißangst hat. Genauso wie ich.« Er reichte
mir die Flasche. Dann kehrte er sich ab.
    Der Ouzo
war warm in meiner Hand. Gregor setzte sich aufs Sofa. Ich konnte nicht auf Anhieb
sagen, ob er mit seiner Scheißangst ausschließlich seine Sorge um Martha
meinte – oder sie auch auf sich selbst bezog. Denn hinsichtlich dessen, was augenblicklich
im Präsidium geschah, konnte ich nicht einschätzen, mit welchen Konsequenzen er
zu rechnen hatte. Doch nach dem, was Guido Brülling erzählt hatte, schien es nicht
so, als könnte alles mit ein paar Sozialstunden wiedergutgemacht werden. Gregor
hatte sich ein paar Polizisten gekauft. Ihm wurde Vertrauliches zugetragen – im
Austausch für den Kopf der einen oder anderen Straßenratte. Ich konnte nicht einschätzen,
was schlimmer wog – eine Anklage und Knast oder die Rache seiner ehemaligen Leute
von der Straße, wenn sie herausfanden, dass er sie verraten hatte.
    »Was hält
dich überhaupt noch in Bochum?«, fragte ich.
    »Die Arbeit.
Julias Grab.« Er sah mich an. »Du.«
    Meine Wangen
glühten erneut. »Das, was du Arbeit nennst, wird dich noch umbringen.«
    »Früher
oder später«, sagte er kühl. »Aber ich bin gut darin. Und es ist der einzige Job,
den ich noch machen kann. Ich bin vorbestraft. Ein Tötungsdelikt. Diesen Stempel
trägst du für den Rest deines Lebens. Damit kannst du in manchen Städten nicht mal
mehr Putzen gehen.«
    Einen Stempel,
dachte ich. Wie die Tätowierung auf seinem Rücken. »Hast du darüber nachgedacht,
sie entfernen zu lassen?«
    »Glaubst
du, ich hätte nie versucht, sie loszuwerden?« Er schnaubte. »Nach Julias Tod habe
ich ein paar Stationen abgeklappert. Es gab schon diese Lasertherapie, aber wenige
Spezialisten auf dem Gebiet. Ich bekam überall die gleiche Aussage. Die Tinte wurde
unsachgemäß in die untere Hautschicht eingestochen. Das Einzige, was helfen würde,
wäre eine Transplantation.« Er starrte mich an. »Soll ich mir die Haut abziehen
lassen?«
    Ich schüttelte
den Kopf.
    »Es lassen
sich nun mal nicht alle Spuren beseitigen.«
    Mit den
Fingerspitzen fuhr ich über seinen Rücken. Natürlich fühlte ich die Tätowierung
nicht unmittelbar. Doch hier und da glitt ich über ein paar Erhebungen, die sich
anfühlten, als seien sie Ekzeme.
    Er schien
zu spüren, wie ich über einen der Knubbel fuhr.
    »Alte Entzündungen«,
sagte er.
    »Ist das
ein Muttermal?«
    »Keine Ahnung.«
    »Du solltest
den Tätowierer

Weitere Kostenlose Bücher