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Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Trallafitti: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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verklagen.«
    »Der Tätowierer
ist tot.«
    »Hast du
ihn umgebracht?« Es sollte wie ein Scherz klingen.
    »Nein. Leider
nicht.«

16.
     
    Seine Hand wanderte zu meinem Oberschenkel
und blieb regungslos auf meinem Knie liegen. »Ich bin kein Nazi, Esther. Ich bin
es nie gewesen. Ich weiß, dass du deine Zweifel hast.«
    »Nein, habe
ich nicht«, log ich. »Warum erzählst du mir nicht einfach, was passiert ist?«
    »Weil mir
dann Dinge wieder einfallen, die ich vergessen habe.« Er stand auf und ging zum
Fenster. Dann lehnte er sich gegen die Scheibe, nackt, nur mit schwarzen Shorts
bekleidet, seinen Rücken mir zugewandt. Der Adler spreizte herrschaftlich die Flügel
über Gregors Schultern, seine gefiederte Brust war durch die sich abzeichnende Muskelmasse
anthropomorphisch deformiert. Der Vogel hockte auf einem faustgroßen Hakenkreuz,
die Krallen bohrten sich in den blutroten scharfen Rand.
    Gregor atmete
tief durch und seine Schultern hoben sich – für einen Augenblick ließ er den Adler
fliegen.
    Ich wünschte,
er würde sich davonmachen.
    »Mit 26
machten sie mich zum Kriminalkommissar. Keine besondere Leistung, wenn man ein gutes
Abitur hingelegt und in der Zwischenzeit keinen Mist gebaut hat. Ich aber war versessen
darauf, mich nach der geforderten minimalen Berufserfahrung von zwei Jahren dem
SEK-Auswahlverfahren sowie den Eignungstests zu stellen. Deswegen sparte ich in
dieser Zeit nicht an Einsatzbereitschaft oder Überstunden. Ich denke, das führte
dazu, dass Guido 1994 auf mich zukam, um mich als VE zu ihm nach Dortmund zu holen.«
    »VE?«
    Er drehte
sich zu mir um. Plötzlich wirkte er stocknüchtern. »Verdeckter Ermittler.«
    Unweigerlich
schwante mir etwas.
    »Es sollte
ein verhältnismäßig kurzer Einsatz werden. Ziel war es, mich in eine Gruppe junger
Nationalsozialisten einzuschleusen, die sich von einer größeren Dorstfelder Skinhead-Bewegung
abgespalten hatte, um ihr eigenes Ding zu drehen. Anfänglich bestand diese Gruppe
aus 25 Leuten, keine Frauen, keiner von ihnen über 30. Einige Monate vor meinem
Einsatz wurde ein einschlägiges Mitglied nach einer Schlägerei festgenommen. Der
Junge hatte eine nicht unerhebliche Menge Crack bei sich, was für eine Menge Aufruhr
gesorgt hat. Er war uneinsichtig und nicht verhandlungsbereit, aber man vermutete,
dass innerhalb der Truppe ein kleiner Drogenring aufgebaut wurde, um das Fortbestehen
zu finanzieren. Spätere Observationen führten zu keinerlei Ergebnissen, weil die
Gruppierung nach der Verhaftung des Jungen vorsichtig geworden war. Irgendwann verlor
der Staatsschutz die Geduld und so ordnete man verdeckte Ermittlung an, um herauszufinden,
woher sie das Crack bezogen.«
    »Also ging
es dabei gar nicht um die Neonazi-Szene?«
    »Nein. Der
Staatsschutz hatte die kleine Bewegung schon seit einer Weile im Auge und genügend
Tatbestände auf dem Tisch, um die Hälfte der Leute wegen Sachbeschädigung, Bedrohung
und gefährlicher Körperverletzung vor den Kader zu bringen. Dies hätte im äußeren
Kreis der Schlägertypen zwar für Aufruhr gesorgt. Dem profunden inneren Kern hätten
die Verhaftungen allerdings kaum geschadet. Im Gegenteil. Nach der letzten Verhaftung
wären sie womöglich vollends abgetaucht. Und wir hätten uns jede Möglichkeit verbaut,
näher an die Köpfe zu gelangen und den Drogenring zu zerschlagen.«
    »Und?« Ich
war ganz aufgeregt. »Habt ihr es geschafft? Wie lange warst du unter ihnen?«
    »15 Monate.«
    »Das ist
eine lange Zeit«, stellte ich fest.
    »Ja«, sagte
er. »Wir haben uns von der billigen Hip-Hop-Beschallung und den Skater-Outfits blenden
lassen, welche sie benutzten, um die Jüngsten von der Straße zu rekrutieren. Die
Truppe fiel zwar als aggressiv auf, schien aber insgesamt eher unstrukturiert und
harmlos.« Er schnaubte. »Wie sich herausstellte, war der Kern allerdings äußerst
straff organisiert, und es dauerte, bis ich das Vertrauen der beiden Leitwölfe gewann.
Da man die VE auf weniger als sechs Monate budgetierte, sahen wir davon ab, meine
Legende auf meine echte Identität zu spiegeln, und sie machten mich zum Ledigen.
Es sprach vieles für diese Entscheidung. Einige der Einfaltspinsel waren zwar selbst
verheiratet. Ihre Frauen waren jedoch stark im System integriert und das Risiko,
Julia herzeigen zu müssen, wollte ich nicht eingehen.« Er lächelte seicht. »Sie
ist fast ausgetickt. Nicht, weil sie es nicht aushalten konnte, mich ein halbes
Jahr nicht zu sehen. Sie wollte mit von der

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