Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
so wichtig nehmen?«, fragte Gregor.
»Das tut
nichts zur Sache. Wichtig ist, dass er mit seinem neuen Job ein paar Stühle näher
an den Außenminister herangerutscht und die Medienaufmerksamkeit deutlich gestiegen
war. Aussagen wie das Kaschmir-Statement machten dann plötzlich Dreck, der vom Außenministerium
mühselig weggekehrt werden musste. Schwarzinger wusste das. Er muss es gewusst haben.
Er hatte den idealen Zeitpunkt abgepasst.«
»Wie reagierte
denn das Ausland auf sein Statement?«, fragte ich.
»Verhalten.
Sehr verhalten«, sagte Brülling. »Wenn Reaktionen kamen, dann nur vereinzelt und
weitestgehend unqualifiziert. Kaum jemand wollte sich dazu hinreißen lassen, zu
dem prekären Thema Stellung zu beziehen. Der indische Nationalkongress reagierte
überraschend besonnen und lud Schwarzinger öffentlich ein, das schöne, von muslimischen
Angriffen eingekesselte Jammu zu besuchen, auf dass er seine Sympathien für das
pakistanische Volk noch einmal überdenken würde. Es war nett gemeint. Doch es wäre
interessanter gewesen zu erfahren, was Schwarzingers alte Freunde von der BJP-Partei
zu der Sache sagten. Denn die waren mit Sicherheit angefressen.« Er sah zu mir.
»Schwarzinger war viele Jahre lang deren bester Vertrauter. Damals stellte die BJP
einen Teil der Regierung und rief mit alten nationalistischen Hindu-Parolen zur
Befreiung Kaschmirs von den Muslimen auf. Unter ihrer Federführung hat Schwarzinger
als Botschafter von Neu-Delhi aus viele wichtige Geschäfte angeleiert.«
»Das klingt
mir definitiv nach einem Interessenkonflikt«, sagte Gregor.
Brülling
nickte.
»Und nach
einem Motiv.«
Nun winkte
Brülling eifrig mit seinem Zeigefinger. »Das ist hier kein Kinofilm, wo man wegen
verbalen Aussetzern gleich vorbeikommt und Leute umlegt. Schon gar nicht so kleine
Lichter wie Schwarzinger. Ambitioniert, ja. Aber klein. Und überhaupt: Würden alle
Politiker, die Kritik ausüben oder vorschnell urteilen, gleich mit dem Strick gerichtet,
müsste die Hälfte des UN-Sicherheitsrates längst unter der Erde liegen.«
Ich musste
zugeben, da war was dran. »Aber wozu sollte Schwarzinger seine Beziehung zu Indien
so waghalsig aufs Spiel setzen? Sie sagten doch selbst, dass Südasien-Kenner wie
er gefragte Leute seien.« Ich schüttelte den Kopf. »Er muss gewusst haben, dass
er sich mit einem solchen Auftreten alles nur kaputt macht.«
»Reines
politisches Kalkül«, schnaufte Brülling. »Nur die Harten kommen in den Garten –
in diesem Fall in den UN-Sicherheitsrat. Denn so eine Indienexpertise ist zwar nice
to have , aber wenn wir ehrlich sind, hat Indien nichts wirklich Aufreibendes
zu bieten: Kaum Kriege, nette Regierung, toller Absatzmarkt. Auf Pakistan hingegen
blickt im Moment die ganze Welt. Bin Laden wurde in dem Land niedergestreckt, der
pakistanische Geheimdienst soll von Islamisten unterwandert sein. Die afghanischen
Taliban und al-Qaida haben sich im Westen eingenistet. Und die Beziehung zwischen
Pakistan und den USA ist völlig am Boden. Mit dem deutsch-amerikanischen Verhältnis
sieht es übrigens ebenfalls eher mau aus. Kein deutscher Abgesandter weit und breit,
der sich für Kriegseinsätze gegen das staaten- und körperlose Monster, den Terrorismus,
starkmachen will.«
»Schwarzinger
scheint da eine Ausnahme zu sein«, stellte ich fest.
Brülling
nickte. »Mag sein, dass der Typ ein anmaßender Schwätzer war. Aber er war nicht
blöd. Er klügelte etwas aus. Und dazu gehörte offensichtlich, sich die Gunst der
Pakistani zu sichern. Dass er damit seine indischen Verbündeten verärgerte, nahm
er billigend in Kauf.«
»Das waren
sicherlich nicht die Einzigen, die er verärgerte«, merkte ich an.
»Wer sich
in der Kaschmirfrage positioniert, kann sich nur in die Nesseln setzen«, bekräftigte
Brülling.
»Und was
genau klügelte Schwarzinger aus?«, fragte ich.
»Die Theorien,
die dazu kursieren, sind rein spekulativ. Fakt ist, dass Schwarzinger nie ein Motiv
hat durchscheinen lassen. Kontakte zu Pakistan soll es angeblich keine gegeben haben.
Ein paar USA-Korrespondenten vermuten, dass Schwarzinger seine Karriere befeuern
und sich als Gelegenheitsmacher für die US-Vertreter im UN-Sicherheitsrat etablieren
wollte, um mit ihnen und den Pakistan-Abgesandten gemeinsam über die Terrorismusfrage
zu verhandeln. Und das wäre in der Tat ein steiler Aufstieg gewesen.« Er hob die
Schultern. »Aber ob Kaschmir bei diesen Gesprächen tatsächlich eine Rolle gespielt
hätte, wage
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