Transfer (German Edition)
Die
Finsternis um ihn herum schien sich nur noch weiter zu verdichten und eine
unsichtbare, lauernde Bedrohung auszubrüten, etwas, das nur darauf wartete, ihn
zu ergreifen und in Stücke zu reissen.
Sein Blick wanderte
unruhig hin und her, während er mit seiner Lampe versuchte, den Raum, in dem er
sich befand, auszuleuchten und mit der spärlichen Helligkeit zugleich seine
Ängste zu verteiben.
Der Boden glänzte
metallisch, ähnlich der Wand, durch die er eben gegangen war. Im Hintergrund
ließen sich die Umriße riesiger Aggregate mehr erahnen als klar erkennen.
Eine tiefe Rinne im Boden
führte quer durch die Dunkelheit zu einer tiefschwarzen Öffnung, von der der
unsägliche Gestank auszugehen schien.
Corrogin folgte der Rinne
und damit dem ständig unerträglicher werdenden Gestank, bis er direkt in den
innersten Kreis der Hölle zu blicken schien.
Der kleine Lichtstrahl
seiner Lampe wanderte über eine schillernde, ölige Flüssigkeit, die tief
unterhalb der Öffnung anscheinend meterhoch in einem riesigen Becken aus
Synthomasse oder Plastbeton stand.
Corrogin schluckte heftig
und bemühte sich krampfhaft, seinen rebellierenden Magen irgendwie unter
Kontrolle zu bekommen. Nahe der Öffnung war der Gestank nach Tod, Fäulnis und
Blut beinahe Atem lähmend.
Der Lichtkegel seiner
Lampe wanderte fast wie von selbst weiter, auch wenn er für seinen Geschmack
längst genug gesehen hatte. Ein aufgedunsener, zur Hälfte von Säure
zerfressener Leichnam trieb in der stinkenden Brühe. Der Körper mußte
angesichts der fortgeschrittenen Verwesung schon lange in dieser bestialisch
stinkenden Brühe treiben.
Neben seinem schwarz verfärbten, von
Säure zerfressenen Kopf schwamm ein einzelnes Bein, die Innenseite nach oben
gewandt. Ein Stück weiter trieb ein abgetrennter Arm; die Hand, in einer
grässlichen Geste gefroren, bestand nur noch aus blanken Knochen.
Leichenteile jeder Art
und in jedem nur denkbaren Verwesungsstadium, Haare, Fettklumpen, blanke,
dunkel verfärbte Knochen... Corrogin stand vor einer stinkenden Leichengrube,
gefüllt mit Strandgut der Ewigkeit.
Ab und zu gluckste und
gluckerte es widerlich in diesem Tümpel des Todes, leise blubbernd stiegen
Blasen auf und zerplatzten schmatzend an der Oberfläche, erfüllten die Luft mit
neuen Wogen des pestilenzartigen Gestanks.
Corrogin war nicht leicht
aus der Fassung zu bringen, er hatte schon zu viel in seinem Leben gesehen und
auch selbst getan, was zartbesaitetere Zeitgenossen um den Verstand gebracht
hätte, aber dieser Anblick war auch für ihn zuviel.
Er kannte selbst nur
wenig Skrupel, wenn es darum ging, einen Gegner aus dem Weg zu räumen; er
tötete ohne Hemmungen, wenn es die Situation erfordete. Aber er hatte auch kein
besonderes Vergnügen daran.
Auch Grausamkeit war ihm
wahrhaftig nicht fremd, er hatte während seiner Zeit als Verhörspezialist bei
der Armee und später beim Armeegeheimdienst schon einigen Gegnern mit einem
Kortex-Scanner buchstäblich das Gehirn verschmort. Aber für das, was er hier
sah, fehlte ihm schlicht jedes Verständnis.
Nach der Anzahl an
Leichen und einzelnen Körperteilen zu urteilen, die in der stinkenden Brühe
trieben, mußten die Betreiber dieser Station schon Hunderte, wenn nicht sogar
Tausende von Leichen in dem Becken entsorgt haben.
Genetischer Müll aus den
Körperzuchtanlagen, die es hier vermutlich ebenso wie an Bord der Rapharo gab, vielleicht auch unliebsame Mitwisser oder Verzeifelte wie Deckart, die
hier eine zweite Chance gesucht hatten und stattdessen in diesem Becken
gelandet waren.
Eines wurde ihm in diesen
entsetzlichen Minuten am Rande des Leichenbeckens mit erschreckender
Deutlichkeit klar: Baillard und Elgin, von denen Deckart sich eine zweite
Chance erhoffte, wie er es ihm gegenüber genannt hatte, waren brandgefährlich
und von einer Skrupellosigkeit, die jede Vorstellungskraft überstieg. Die
beiden würden mit tödlicher Sicherheit keine Sekunde zögern, auch ihn oder
Deckart in diesem Becken verschwinden zu lassen, wenn es ihnen in den Sinn kam
oder in ihre Pläne passte, denen Corrogin jetzt weniger denn je traute.
Er wandte sich schaudernd
ab und schlich leise weiter. Nach wenigen Metern stieß er auf eine breite,
aufwärts führende Rampe, der er vorsichtig und mit gezogener Waffe folgte. Nach diesem Fund würde er kein Risiko mehr eingehen.
Das Ende der Rampe war
bald erreicht. Wieder stand er vor einem verschlossenen Schott. Vergeblich
hielt er nach einem
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