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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Unfall?« wiederholte er.
    »Na, ja. Ist doch unwichtig. Außerdem ist auch nichts passiert. Komm… du wirst doch nicht so mit diesem Koffer…«
    Er hob ihn hoch. Sagte nichts mehr. Sah mich auch nicht an.
    Seine Kiefermuskeln spannten sich einige Male.
    >Er hat etwas gemerkt<, dachte ich. >Er weiß zwar nicht, was diesen Unfall verursachte, ahnt es aber wohl.<
    Oben sagte ich ihm, daß er sich eines von den vier freien Zimmern wählen sollte. Er nahm das mit der Bergaussicht.
    »Warum hast du das denn nicht genommen? Ach, ich weiß schon«, lächelte er, »dieses Gold, wie?« »Ja.«
    Er berührte die Wand mit der Hand.
    »Ich hoffe nur, daß sie gewöhnlich ist, ja? Keinerlei Bilder, Fernseher?«
    »Kannst beruhigt sein«, lächelte nun auch ich, »es ist eine ehrliche Mauer.«
    Ich telefonierte nach dem Frühstück. Ich wollte mit ihm allein essen. Der weiße Roboter brachte Kaffee. Und ein vollgestelltes Tablett, es war ein sehr reichhaltiges Frühstück. Wir aßen schweigend. Mit Vergnügen sah ihn ich kauen, sah eine Haarsträhne über seinem Ohr sich bewegen.
    Dann meinte Olaf: »Rauchst du noch?«
    »Ja. Zweihundert Schwarze habe ich mitgebracht. Was später werden soll, weiß ich nicht. Aber vorläufig rauche ich. Willst du eine?« »Ja.«
    Wir rauchten.
    »Und weiter? Spielen wir mit offenen Karten?« fragte er nach einer langen Zeit.
    »Ja. Ich werde dir alles sagen. Du mir auch?«
    »Immer. Nur, Hal, weiß ich nicht, ob sich das lohnt.«
    »Sag nur eins: weißt du, was das Schlimmste ist?«
    »Die Frauen.«
    »Ja.«
    Wir schwiegen wieder.
    »Also deshalb?« fragte er.
    »Ja. Du wirst es beim Mittagessen sehen. Unten. Die Villa ist zur Hälfte von ihnen gemietet.«
    »Ihnen?«
    »Junges Ehepaar.«
    Unter seiner sommersprossigen Haut traten wieder die Kiefermuskeln hervor.
    »Schon schlimmer.«
    »Ja. Bin hier seit vorgestern. Ich weiß nicht, wie es kam, aber… bereits, als wir miteinander telefonierten. Ohne irgendeinen Grund, ohne.., nichts, nichts. Rein gar nichts.«
    »Interessant«, sagte er.
    »Wieso?«
    »Weil es mir ähnlich erging.«
    »Warum bist du also gekommen?«
    »Hai, du hast eine gute Tat vollbracht - verstehst du?«
    »Dir gegenüber?«
    »Nein. Einer anderen Person. Denn es hätte kein gutes Ende genommen.« »Warum?«
    »Entweder weißt du es, oder du kannst es nicht verstehen.«
    »Ich weiß. Olaf, was ist das aber? Sind wir tatsächlich Wilde?«
    »Keine Ahnung. Zehn Jahre waren wir ohne Frauen. Daran mußt du zuerst denken.«
    »Das erklärt aber nicht alles. In mir steckt so eine Rücksichtslosigkeit, ich nehme einfach auf keinen Rücksicht, verstehst du?«
    »Doch, immer noch, mein Sohn«, sagte er. »Immer noch.«
    »Tia, aber du weißt, worum es es geht?«
    »Ich weiß.«
    Wieder schwiegen wir.
    »Willst du noch weiter tratschen oder boxen?« fragte er.
    Ich lachte.
    »Woher hast du die Handschuhe?«
    »Das würdest du nie erraten, Hal.«
    »Hast du sie machen lassen?«
    »Ach wo. Geklaut.«
    »Nein! «
    »So wahr mir der Himmel helfe. Aus einem Museum… mußte deshalb extra nach Stockholm fliegen, weißt du?«
    »Na, dann gehen wir.«
    Er packte seine bescheidene Habe aus und zog sich um. Beide warfen wir die Bademäntel um die Schultern und gingen hinun-ter. Es war noch früh. Normalerweise hätte man das Frühstück erst in einer halben Stunde serviert.
    »Gehen wir lieber hinter das Haus«, sagte ich. »Dort kann uns keiner sehen.«
    Wir hielten in einem Rund hoher Sträucher. Zuerst traten wir das Gras mit den Füßen glatt, das sowieso niedrig war.
    »Glatt wird es sein«, meinte Olaf, indem er mit den Füßen auf diesem improvisierten Ring scharrte.
    »Schadet nichts. Der Kampf wird dann schwerer.«
    Wir zogen die Handschuhe über. Etwas umständlich ging es damit, denn wir hatten ja niemand, der sie uns zubinden konnte, und einen Roboter mochte ich nicht rufen.
    Olaf stellte sich mir gegenüber auf. Sein Körper war ganz weiß. »Du bist noch nicht braun geworden«, sagte ich.
    »Werde dir später erzählen, wie es mir erging. Ich hatte keine Lust, am Strand zu liegen. Gong.« »Gong.«
    Wir fingen behutsam an. Finten. Ausweichen. Wieder ausweichen. Ich erwärmte mich dabei. Suchte die Fühlung, keinen Hieb. Schließlich wollte ich ihn ja nicht schlagen. Ich war gut dreißig Pfund schwerer, und seine nur ein wenig längeren Arme konnten meine Überhand nicht aufhalten, um so mehr, als ich auch sonst ein besserer Boxer war. Deshalb ließ ich ihn ein paarmal heran,

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