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Transit

Transit

Titel: Transit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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jemand zu treffen. Doch als ich Heinz! rief, erschien die Wirtin aus einer Tür und sagte: »Der Mieter ist schon eine Woche fort.« Ich fragte: »Von hier oder überhaupt?« Sie sagte kurz: »Überhaupt« und wartete mit verschränkten Armen, bis ich ihr Haus verlassen hatte. Ich war betäubt. Daß Heinz schon für immer fort sein sollte, erschien mir in meiner Stimmung ein schwerer Schlag. Ich kränkte mich, da er ohne Abschied gegangen war.
    Vielleicht hatte seine Wirtin gelogen. Ich wollte jedenfalls Klarheit haben und fuhr an den Alten Hafen zurück. Ich teilte die räudigen Perlenschnüre des Cafés. Hier war es heute nicht allzu kalt. Auf dem staubigen Boden lag buntes, gesprenkeltes Licht, in das eins von den Mädchengästen den dünnen nackten Fuß steckte. Die Katze spielte mit ihrem Pantoffel, worüber gelacht wurde. Bombello, sagte man mir, sei abgefahren, der Portugiese noch nicht gekommen.
    Ich ging die Cannebière zurück in das Reisebüro. Die eine der großen Doggen, die meine Zimmernachbarin über den Ozean bringen sollte, lag vor der Tür in derSonne. Die Herrin notierte gerade den endgültigen Platz. Der zweite Hund schnupperte nach dem Korsen, ohne ihn hinter der Schranke sehen zu können. Obwohl mein Gang auf das Büro unnötig war und zufällig, traf ich auch heute den kahlköpfigen Mann wieder, der mir auf dem amerikanischen Konsulat prophezeit hatte, daß wir uns jetzt immer treffen müßten, bis einer von uns aus der Bahn springe. Da wartete eine junge Frau, von einem Polizisten bewacht, die wohl im Bompard eingesperrt war, bis es einen Schiffsplatz für sie gab oder endgültig keinen, damit sie in ein Dauerlager eingesperrt werden könne im Innern des Landes. Ihre Strümpfe waren zerrissen, ihr halbgefärbtes Haar war schwarz in den Wurzeln, speckglänzend war das lederne Täschchen, aus dem die Ecken ihrer Papiere heraussahen, die alle schon abgelaufen sein mochten oder sonst ungültig. Wer sollte zu einer solchen Frau eine Liebe aufbringen, die groß genug war, um sie über das Meer zu retten? Sie war zu jung, um einen Sohn zu haben, der für sie hätte sorgen können, zu alt, um einen Vater zu haben, zu häßlich, um einen Liebsten zu haben, zu verkommen, um einen Bruder zu haben, der sie in sein Haus gewünscht hätte. Ihr hätte ich helfen sollen, dachte ich, und nicht Marie. Der fette Musiker von Achselroths Tisch kam herein, der schon einmal bis Kuba gekommen war. Er grüßte mich kaum, als schäme er sich der Geständnisse, die er mir letzte Woche gemacht hatte. Der Korse bohrte mit seinem Bleistift im Ohr, denn es gab nichts zu notieren. Alle verfügbaren Plätze waren schon notiert. Und bohrend und gähnend hörte er sich das Winseln und Flehen der Menschen an, die sich alle vom Tod bedroht fühlten oder wenigstens glaubten, daß ihnen der Tod drohe oder die Gefangenschaft oder was weiß ich. Gar mancher hätte gern seine rechte Hand auf dem Tisch des Korsen zurückgelassen, wenn er ihm einen Schiffsplatz versprochen hätte, ja nur versprochen, ihm einen Schiffsplatz vorzunotieren. Er versprach aber gar nichts, er gähnte. Ich hätte die Reihe abwarten können,ich hatte ja Zeit, Zeit, Zeit, ich fühlte mich auch von gar nichts bedroht, nicht einmal von der Liebe. Da fiel sein Blick auf mich, und er winkte. Ich merkte, daß er mich nicht zu den Transitären rechnete, sondern eher zu seinesgleichen. Die Leute machten mir neidisch Platz, ich fragte ihn flüsternd nach dem Portugiesen. Er erwiderte bohrend: »Im arabischen Café am Cours Belsunce.« Ich lief hinaus, der fette Mann, der schon einmal bis Kuba gefahren war, faßte mich jetzt am Ärmel, ich schüttelte ihn ab, ich war eilig, ich hatte jetzt eine Verabredung, ich hatte die Zeit besetzt. Ich suchte den Portugiesen. Wie öd ist der Cours Belsunce! Wie zäh ist die Zeit zwischen zwei Abenteuern! Wie langweilig das gefahrlose Leben!
    Auf den schäbigsten Polstern, in die schmierigsten Burnusse eingewickelt, lag ein Dutzend Araber herum, oder welch ein Volk sich sonst glücklich pries, sie losgeworden zu sein. Ihr ununterbrochenes Dominospiel klang zugleich munter und schläfrig. Ich sah mich nicht um, gewiß, daß mich alle beobachteten. Und wirklich erhob sich aus einer schummrigen Ecke der, den ich suchte, kam an mich heran und fragte höflich, ob ich ihn wieder brauchte. Er hatte sich seit unserer ersten Begegnung eine demütig freche Geste zugelegt, zwei Finger an den Mund zu legen. Man brachte uns einen Tee, der nicht

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