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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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entgegenbringen, wenn man erfuhr, daß er Oberst des KGB war.
    Furcht vor allem hatte er zu erwarten, verdoppelte Wachsamkeit und den stillen Aufbau einer Abwehrfront vom ersten bis zum letzten Wagen … aber Hilfe? Nie!
    Selbst der verkalkte General mit seinem Tenorproblem würde zwar höflich, aber sehr reserviert sein. Es gab keinen, den Karsanow als seinen Bundesgenossen ansehen konnte. Nur Irkutsk blieb übrig, der große Eisenbahnknotenpunkt am Baikalsee.
    In der Zeit, in der man dort die Lok wechselte und neue Wagen für die fernöstlichen Bahnhöfe angehängt wurden, konnte man sofort das örtliche KGB-Büro anrufen und seine Macht beweisen.
    Milda Tichonowna hatte sich angezogen und starrte Karsanow an wie einen Henker, der schon das Beil erhoben hatte. Werner Forster zog sie an sich; sie sträubte sich zuerst, aber dann kuschelte sie sich in seinen Arm wie eine kleine nasse Katze, die Schutz und Wärme sucht.
    Karsanow betrachtete das Bild von Zärtlichkeit als eine Provokation. Er rauchte erregt an der amerikanischen Zigarette und bekam einen unbändigen Durst.
    Aber die aufgetaute Milchpackung war leer, Forsters Kognak wollte er nicht, auch nicht Tee aus der Thermosflasche, die sich der Deutsche jeden Morgen von Fedja, dem Speisewagenkellner, neu füllen ließ und in die er einen Schuß Alkohol kippte.
    Überhaupt – dieser Morgentee! Drei Tage lang kam die Zugküche durcheinander, weil die deutsche Thermosflasche nicht eingeplant war, vor allem nicht während des Frühstücks.
    Es war, wie immer bei Nach- oder Sonderbestellungen, wie etwa bei einem zweiten, mittelweich gekochten Ei oder zwei Scheiben Weißbrot-Toast – nicht zu hell, nicht zu dunkel, sondern schön goldbraun –: Zunächst bemächtigte sich ehrliche Verzweiflung der Küche. Man fluchte über die degenerierten Ausländer und tat zunächst etwas typisch Russisches: man vergaß die Bestellung völlig.
    Wenn dann der Gast nach zwei Stunden Wartezeit immer noch auf seinem ausgefallenen Wunsch beharrte, mußte irgendein Ausweg gefunden werden …
    Forster gelang es mit fünf Rubel heimlichem Trinkgeld, Fedja von dem vierten Tag an zum selbständigen Denken zu erziehen: Er gab frühmorgens seine Thermosflasche an der Küchentür ab, und kam Forster aus dem Speisewagen zurück, so stand seine Flasche wie zufällig auf einem kleinen Klapptisch. Er nahm sie an sich und alles war erledigt.
    Mit diesem Trick überrundete Forster sogar den General, der jeden Morgen herumbrüllte und drohte, in Irkutsk einen Chemiker in den Zug zu holen, damit endlich untersucht würde, ob man vielleicht Spülwasser als Kaffee ausgab.
    Karsanow überlegte, ob er das Abteil verlassen solle, um sich etwas zum Trinken zu besorgen. Er wußte aber, daß dann Klaschka und Milda verschwinden würden.
    Die im Augenblick zu seinem Vorteil so hochexplosiv geladene Atmosphäre im Abteil würde sich abschwächen, auflösen, und es würde schwer sein, wiederum jenen starken inneren Druck auf seine Mitreisenden aufzubauen. Jetzt lag Angst in der Luft – eine sehr gute Grundlage für ein weiteres Gespräch.
    »Fangen wir also an!« sagte Karsanow streng. »Wo kommen Sie her, Milda Tichonowna? Werner Antonowitsch, unterbrechen Sie mich nicht wieder oder versuchen Sie nicht, durch irgendwelche Bemerkungen Mildas Bericht zu verharmlosen. Ich kann selbst sehr gut unterscheiden, was wahr ist oder gelogen! Milda, warum haben Sie eigentlich Angst?«
    »Sie ist neu in der Branche!« fuhr Klaschka sofort dazwischen. »Und dann gleich ein Oberst vom KGB! Da rutscht das Herz in die Hosen, Genossen!«
    »Verschwinden Sie!« schrie Karsanow und wurde zornrot. »Hinaus! Das ist ein Befehl!«
    Klaschka erhob sich, zwinkerte Milda und Forster zu und verließ das Abteil.
    Es war klar, daß sie sofort Mulanow alarmierte und sich etwas ausdachte, um das gefährliche Verhör zu stören.
    Milda starrte Karsanow an. Ihr schmaler bleicher Mund zuckte, aber sie bekam kein Wort über die Lippen.
    »Sie sehen doch, daß sie völlig verwirrt ist«, sagte Forster rauh.
    »Das soll sie auch!« Karsanow beugte sich vor. Sein scharfer Blick stieß wie eine Lanze in Milda hinein. »Woher kommen Sie?«
    »Aus Perm, Genosse Oberst …«, antwortete Milda kaum hörbar.
    »Aha! Aus Perm! Und schleichen sich in Swerdlowsk in den Transsib? Wie paßt das zusammen? Der Zug hielt doch auch in Perm!«
    »Es soll vorkommen, daß Reisende in den D-Zug Hamburg - München einsteigen«, sagte Forster laut, »und wohnen selbst

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