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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bronchitis, Fieber und Nervenschmerzen …«
    »Eine Anmaßung!« Karsanow schnaubte durch die Nase. »Haben Sie gedacht, Sie kommen in ein Land, wo man noch mit Kuhmist heilt? Unsere Medizin ist die höchstentwickelte der ganzen Welt! Aber nein, Sie schleppen eine Apotheke mit sich herum! Diese westliche Frechheit, immer das Beste haben zu wollen!«
    »Was würden Sie jetzt tun ohne meinen Medizinkasten, Pal Viktorowitsch?«
    »Hier im Zug gibt es eine Sanitätsstation! Jeder Schaffner ist in Erste Hilfe ausgebildet! Sind das Ihre Bahnbeamten etwa, he? Ich habe Sie nur nicht beleidigen wollen, darum nahm ich Ihr Angebot an! Ich bin nun mal ein höflicher Mensch.« In diesem Augenblick betrat Mulanow das Abteil. Er keuchte vom schnellen Lauf.
    Draußen hieb der Sturm gegen die Wagenwände. Ein fahles Licht drang durch die Fenster, ein Licht, wie man es sich vorstellen würde, wenn der Weltuntergang bevorstünde.
    »Oberst Karsanow wird am Telefon verlangt!« meldete Mulanow stramm. Karsanow hob den Kopf, aber Forster drückte ihn wieder nach unten.
    »Soll warten!« brummte der Oberst. »Wer ist es denn?«
    »Eine Behörde in Irkutsk.«
    »Ich bin verletzt, das sehen Sie doch!« Er legte den Kopf etwas schräg, aber er konnte Milda und Forster dennoch nicht sehen. »Wie lange dauert es noch? Mulanow, helfen Sie mit! Werner Antonowitsch hat zwar einen wunderbaren Sanitätskasten bei sich, aber von der Anwendung seines Inhalts scheint er wenig Ahnung zu haben.«
    »Nicht einen blassen Schimmer!«
    Forster legte gerade eine dicke Lage Mull auf die gereinigte, nur noch wenig blutende Wunde.
    »Ich habe nur drei Semester Medizin studiert, ehe ich zum Ingenieur umsattelte.«
    »Berufswechsel wegen Unfähigkeit, was?« sagte Karsanow.
    »Nein! Mein Vater wurde Invalide, wir hatten kein Geld mehr, und ich mußte mir einen praktischen Beruf suchen, in dem man schnell etwas verdient.«
    Forster begann, den Verband anzulegen und umwickelte Karsanows Hals. »Mein Vater wurde Invalide als Folge der russischen Gefangenschaft …«
    »Mein Vater ist bei Orel erschossen worden!« schrie jetzt Karsanow unbeherrscht. »Ja, es war Krieg, Pal Viktorowitsch!«
    »Dann hören Sie doch endlich mit Ihren Hetzreden auf! Sie haben es gehört, Mulanow; sogar bei der Versorgung eines Verletzten träufelt er politisches Gift in die Wunde!«
    »Der Genosse in Irkutsk wartet am Telefon …«, antwortete Mulanow stur. »Er hat einen Auftrag für Sie.«
    »Mir kann keiner einen Auftrag geben!« bellte Karsanow. »Man kann mich nur bitten! Meine Dienststelle ist ausschließlich in Moskau!«
    Das Verbinden ging jetzt schnell. Nachdem sein Hals umwickelt war, zog Karsanow sein Hemd wieder an, mußte aber den Kragen offen lassen und auf seine Krawatte verzichten.
    »Danke, Werner Antonowitsch«, sagte er steif und warf einen Blick in den aufgeklappten Sanitätskasten. »Eine Tablette gegen Schmerzen hole ich mir aus der Zugapotheke. Wir haben wirksamere Schmerzmittel als Sie!«
    Er winkte Mulanow und verließ das Abteil. Er drängte sich an den Leuten vorbei, die noch auf den Gängen standen und heftig die Lage diskutierten.
    Niemand wußte, wo der Zug festsaß, aber es mußte eine verflucht einsame Gegend sein; eines jener Gebiete, wo die Wölfe Triefaugen bekamen, weil sie ständig weinten …
    Werner Forster schob die Abteiltür zu, packte die blutigen Mulltupfer in eine Tüte und knüllte diese zusammen.
    Milda schraubte die Jodflasche zu und strich dann mit den Fingerspitzen über eine kleine braune Flasche in einer Kunststoffhülle.
    »Das ist Äther …«, murmelte sie.
    »Ja, das ist Äther.« Forster nahm ihre kalte Hand und schob sie weg.
    Dann klappte er den Deckel des Sanitätskastens zu.
    Er ahnte, was Milda dachte … Die Verzweiflung ist oft die Mutter der grausamsten Phantasie.
    »Es ist keine Lösung deines Problems«, sagte er bestimmt.
    »Der Weg bis Wladiwostok ist weit, Werner Antonowitsch.« Milda trat an das Fenster.
    Man konnte nicht mehr hinaussehen, der Schnee klebte dick an der Scheibe.
    Um den Zug heulte es wie aus hundert Sirenen, der Sturm verfing sich in jeder Fuge, jeder Ecke. In den Lüftungsdauben der Waggons, im Stahlgewirr der Räder, überall, wo er auftraf, schrie er mit seiner hellen Stimme, und die Taiga antwortete dem Sturm mit dem Dröhnen und dem Rauschen ihrer Millionen Baumwipfel.
    »Jetzt wäre es möglich …«, sagte Milda und drückte die Stirn wie sehnsuchtsvoll gegen das eisige Glas.
    »Was?«
    »Der

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