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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zug steht … ich könnte hinaus!«
    »Bei diesem Schneesturm? Das wäre Wahnsinn!«
    »Keiner würde mich sehen, keiner würde mich verfolgen …«
    »Der Sturm würde dich wegreißen, Milda!«
    Forster zog sie an sich und drehte sie zu sich herum. Ihre großen schönen Augen waren leer, ihr Blick war so weit weg wie ihre Gedanken, und diese Gedanken hießen: Freiheit! Endlich Freiheit!
    Leben dürfen … irgendwo … dort draußen im unbekannten Wald … nur ein kleines Tier unter Tieren … aber leben in Freiheit …
    »Milda!« rief Forster und schüttelte sie. »Milda, du würdest da draußen keine Stunde überstehen!«
    »Wir haben gelernt, mit Schnee und Sturm zu leben, Werner Antonowitsch.«
    Sie sah ihn voll an, ihr Blick kehrte zurück, aber er versank in Traurigkeit.
    »Ich bin aufgewachsen in einer Hütte, die im Winter immer zugeschneit war, und ich habe von Kind an mit der Schaufel gegen den Schnee gekämpft. Ich weiß genau, wie man sich im Eissturm verhält …«
    »Ich lasse dich nicht raus!« sagte Forster fest.
    Eine wahnsinnige Angst überfiel ihn plötzlich, daß der Zug auch die Nacht über stehenbleiben könnte und irgendwann, in diesen langen Stunden des Wartens, Milda doch Gelegenheit haben würde, hinauszuspringen und in der Weite der Taiga zu verschwinden.
    »Wenn es sein muß, binde ich dich hier fest!«
    »Du wirst mich damit töten, Werner Antonowitsch«, sagte sie stockend.
    »Nein! Draußen die Taiga wird dich töten!«
    »Die Taiga ist meine Freundin. Sie ist gnädiger als Karsanow!«
    »Ich werde dich vor ihm beschützen!«
    »Das kannst du nicht mehr. Du glaubst, weil du ein Gast der Regierung bist, wärest du unangreifbar. Was kümmert das Karsanow? Das KGB hat eigene Ansichten, und es setzt sie durch. Überall, wo es will, Werner Antonowitsch! Bitte, laß mich aus dem Zug springen! Diese Gelegenheit kommt nie wieder. Ich bin weit genug gefahren.«
    »Du sollst nicht leben wie ein Tier!«
    Er legte beide Arme um sie und preßte sie an sich. Er spürte ihre kleinen harten Brüste durch sein Hemd, und ihr Haar duftete nach Heu.
    »Wir werden Wladiwostok erreichen, und dort suchen wir uns ein japanisches Schiff, das dich mitnimmt … auch ohne Paß! Und dann wirst du frei sein und keine Angst mehr haben. Und du wirst ein Leben kennenlernen, in dem es keine Karsanows gibt und …«
    »Was für ein schönes Märchen …«, sagte Milda leise.
    »Es ist die Wahrheit, Milda!«
    »Nicht für mich.« Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter und vermied es so, ihn weiter anzusehen.
    »Warum das alles, Werner Antonowitsch? Ich bin eine Ratte, weißt du das? Kyrill Michailowitsch hat es gesagt. Nur eine Ratte! Du kennst Kyrill Michailowitsch nicht, und du wirst ihn nie kennenlernen. Er ist jetzt weit weg. Aber irgendwie hat er immer noch recht. Ich bin wirklich nur eine Ratte. Laß mich zu den anderen Ratten, bitte …«
    »Du bist das schönste Mädchen, das es für mich gibt«, sagte Forster heiser. Sein Herz klopfte wild, und jeder Atemzug war eine Schwerarbeit.
    »Milda … du darfst jetzt nicht aus diesem Zug springen und für immer verschwinden! Du darfst es einfach nicht. Ich liebe dich doch …«
    »Werner Antonowitsch!« Sie hob wieder den Kopf. »Das ist schlimmer als jeder Schneesturm …«
    »Hast du nicht gesagt, du wärest mit Sturm und Schnee aufgewachsen? Ich werde es auch lernen, Milda.«
    »Nie, Werja, nie …«
    Plötzlich warf sie die Arme um seinen Nacken, hob sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn.
    Es war ein verzweifelter Kuß, ein Schrei von kalten Lippen, der in ihn überfloß … Es war ein Kuß mit der ganzen Inbrunst einer zerrissenen Seele.

VI
    Zur gleichen Zeit beendete Karsanow sein Funkgespräch mit Irkutsk. Es mußte doch noch einen Mann geben, der Pal Viktorowitsch etwas zu sagen hatte.
    »Also, fangen wir an!« sagte er danach ernst und blickte die um ihn versammelten Schaffner an. »Holen Sie die kräftigsten Männer aus der zweiten Klasse und versammeln Sie sie im Postwagen. Haben wir Schaufeln genug? Es wäre doch eine Blamage, wenn wir mit dem Transsibirien-Expreß nicht durch einen Schneesturm kämen! Genossen, das ist jetzt eine vaterländische Arbeit! Wir stehen wieder an der Front!«
    »Ich werde mit Jurij sprechen«, sagte Mulanow zu Vitali, dem Zugführer, als sie zur zweiten Klasse gingen, um die starken Männer herauszuholen.
    Jurij war der oberste Lokführer und verantwortlich für die gesamte Fahrt.
    »Vielleicht ergibt sich eine

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