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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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durch die plötzliche Absperrung überrascht. Auf Fragen gab es keine Antworten –, das war man von der Miliz gewöhnt.
    Dann sickerte das Gerücht durch, ein hoher Genosse aus Moskau steige aus, aber das war kaum glaubhaft, denn die Mitglieder des Ministerrates benutzten Regierungsflugzeuge.
    So wartete man also, stampfte sich warm und baute sich hinter der Kette der Milizionäre auf. In wenigen Minuten würde man wissen, was das alles bedeutete …
    Das war ein Irrtum.
    Der Transsib hielt, die Türen öffneten sich, die Schaffner sprangen auf den Bahnsteig, dann folgten vier Männer, die trotz ihrer Zivilkleidung irgendwie uniformiert aussahen, und schließlich trat ein Genosse auf, der sofort herumkommandierte und durch die Gegend brüllte.
    »Alle Reisenden für Irkutsk versammeln sich vor dem Zug!«
    Da standen sie nun, mit Koffern und Kartons, mit Taschen und Säcken, die Mantelkragen hochgeschlagen, die meisten noch mit Schlaf in den Augenwinkeln, geduldig wie eine Viehherde, die zusammengetrieben worden war.
    Und wie bei einer Viehzählung trotteten sie dann einzeln durch eine enge Gasse der Miliz und an einem Tisch vorbei, hinter dem Plotkin stand und jeden scharf musterte.
    Die Kontrolle der Ausweispapiere war das harmloseste. Ärger gab es dagegen schon, als die vier Assistenten jeden Reisenden abtasteten, jedes Gepäckstück durchwühlten und jeden, der mehr als siebenhundert Rubel in der Tasche hatte, durch zwei Milizsoldaten abführen ließen.
    Plotkin war sich klar darüber, daß alles nur eine oberflächliche Maßnahme sein konnte, daß der Aufwand größer war als der Nutzen.
    Es mußte etwas getan werden, das war die Hauptsache! Man konnte nicht einen Mörder herumlaufen lassen, ohne wenigstens zu demonstrieren, daß man ihm auf der Spur war.
    Verdrossen starrte Plotkin jeden Reisenden an, der an ihm vorbeimarschierte.
    Alltagsgesichter, harmlose Genossen, von der Reise übermüdet, durch nichts mehr zu erschüttern, seit Karsanow sie mitten in der Taiga zum Schneeschaufeln aus den warmen Abteilen in die eisige Kälte gejagt hatte.
    Sie blieben vor den Kontrolltischen stehen, hoben die Arme an, ließen sich abtasten. Ein paar protestierten lahm und drohten wohl auch mit einer Beschwerde …
    Plotkin raunzte sie an, gab ihnen innerlich recht und war froh, als die Parade vorüber war.
    Der Mörder sitzt noch im Zug, dachte er. Natürlich kann man keinem Menschen ansehen, ob er einen anderen Menschen umgebracht hat. Es soll ja Biedermänner geben, die ihre Frauen in Schwefelsäure auflösen, wie jener Alanajew, für dessen Lauterkeit sich jedermann verbürgt hätte … Aber diese Reisenden waren so harmlos wie der Inhalt ihrer Koffer.
    Plotkin verließ seinen Tisch und ging zurück zum Zug.
    Karsanow und Forster standen im Vorraum vor der Toilette Nummer fünf, wo das Schild Wegen Reparaturarbeiten gesperrt! prangte.
    Mulanow sicherte auf dem Bahnsteig die offene Tür ab. Man wartete auf den Ambulanzwagen und den Zinksarg, in dem man Klaschka transportieren würde.
    Vielleicht dirigierte man den Zug auch auf ein Nebengleis um es so unauffällig wie möglich zu machen.
    Von einem Mord ahnte noch keiner etwas …
    Die Reisenden auf dem Bahnhof von Irkutsk waren sich nun darüber im klaren, daß die Miliz Rauschgift suchte. Diese verdammte Seuche war nun auch, vom Westen kommend, in Rußland eingesickert; immer mehr Jugendliche wurden verhaftet, Kellerwohnungen wurden ausgeräumt, in denen man sich traf und mit dem Gift vollpumpte.
    Plotkin stieg in den Zug. Seine Miene drückte Resignation aus.
    »Alles weiße Lämmchen, nicht wahr?« fragte Karsanow. Er hatte sich inzwischen angezogen und man konnte unter seinem Jackett keinen gestreiften Schlafanzug mehr sehen.
    Plotkin schnaufte laut. »Haben Sie etwas anderes erwartet?«
    »Wie lassen Sie Klaschka abholen?« fragte Forster.
    Plotkin blickte auf die Toilettentür und schüttelte dann den Kopf. »Überhaupt nicht.«
    »Stepan Petrowitsch, soll das heißen, daß …«, rief Karsanow.
    Plotkin nickte mehrmals.
    »Ja, das heißt es! Klaschka bleibt im Zug!«
    »Bis Wladiwostok?« stotterte Karsanow verwirrt. »Das ist ungeheuerlich! Wer hat das angeordnet? Wo gibt es denn so etwas, daß eine Ermordete tagelang liegenbleibt – unter den Augen der Polizei! Auf einem Lokus! Genosse Plotkin, das widerspricht allen Regeln! Das ist unmenschlich … gegenüber der Toten und auch uns gegenüber!«
    »Ich weiß! Es ist auch ein Ausnahmefall.« Plotkin zog die

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