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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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meinen, Sie lieben sie wirklich …«, sagte er gedämpft.
    »Das begreifen Sie erst jetzt, Karsanow?«
    Forster hockte sich auf die Bettkante. Es war nur ein schmaler Streifen, wollte er richtig sitzen, mußte er Milda etwas fortdrücken. Sie wäre dann erwacht …
    Karsanow klopfte auf sein Bett.
    »Kommen Sie herüber, Werner Antonowitsch. Setzen Sie sich neben mich. Auf der harten Kante bekommen Sie Schwielen am Hintern.«
    Werner Forster wechselte auf das andere Bett hinüber.
    Durch den Gang kam Fedja, der Kellner. Er hatte dem General noch einen Tee gebracht. Karsanow winkte ihn herein.
    »Einen Beutel Milch für mich! Und für Sie, Werner Antonowitsch?«
    »Einen doppelten grusinischen Kognak!.«
    »In einigen Minuten, Genossen.«
    Fedja klemmte sich das Tablett unter die Achsel. Er sah bleich und zerknittert aus. Seit zwanzig Stunden war er auf den Beinen … gerade, als er sich hingelegt hatte, um ein Schläfchen zu halten, hatte Mulanow die tote Klaschka entdeckt, und der Dienst ging weiter.
    »Die Milch muß noch auftauen. Wir haben sie in Irkutsk frisch bekommen.«
    »Beeilen Sie sich, Fedja!« Karsanow streckte die Beine von sich. »Ich habe einen Durst, daß ich die Fensterscheiben ablecken könnte.«
    Fedja schob die Abteiltür zu und eilte zurück zum Speisewagen.
    »Sie müssen mir einiges erklären, Werner Antonowitsch«, sagte Karsanow nach einer Weile.
    Sie hatten beide aus dem Fenster geblickt. Der Baikalsee tauchte auf – eine riesige schwarze Scheibe. Die Morgendämmerung ließ sich Zeit, es schien ein trüber Tag zu werden.
    Vielleicht würde es am Morgen wieder schneien, der Himmel hing über Land und See wie ein schwerer Sack.
    »Sie lieben Milda Tichonowna. Über Geschmack läßt sich streiten, – mir ist Milda zu jung und etwas zu mager.«
    »Sie sollen sie ja auch nicht lieben, Pal Viktorowitsch!«
    »Lassen Sie mich ausreden. Die wichtigste Überlegung kommt noch: Wie kann ein gebildeter Mann wie Sie, ein Akademiker, sich in eine Hure verlieben? Das will und will mir nicht in den Kopf.«
    Forster sah hinüber zu Milda. Vorsicht, dachte er. Karsanow ist ein raffinierter Hund. Er schleicht sich an mich heran mit einer Logik, die nur schwer zu widerlegen ist.
    Eine Zugdirne, wie Milda sie sein soll, bezahlt man und damit Schluß. Man kauft sie sich, so wie Karsanow sich eben seinen Beutel Milch bestellt hat oder ich den doppelten grusinischen Kognak. Aber Liebe?
    »Sie wissen von Klaschka, daß dies hier Mildas erste Reise ist«, sagte Forster und überdachte jedes seiner Worte genau. »Sie ist noch keine Professionelle wie Klaschka.«
    »Und Sie haben die moralische Verpflichtung in sich entdeckt, Milda ins bürgerliche Leben zurückzuführen? Einen missionarischen Drang quasi …«
    »Nicht nur das, Karsanow!.«
    »Warum halten Sie mich für einen senilen Bettnässer? Ich weiß, daß Sie Milda ohne moralischen Purzelbaum lieben können, weil sie keine Hure ist! Ich habe das Mädchen beobachtet … selbst eine Anfängerin in diesem Gewerbe würde sich anders benehmen, jedenfalls mir gegenüber. Werner Antonowitsch – Sie wissen mehr!.«
    »Ich weiß nur, daß ich sie liebe, ganz gleich, was sie ist.«
    »Eine Liebe, die bis Wladiwostok reicht …« Karsanow hob beide Hände, als Forster antworten wollte. »Halt! Erklären Sie mir jetzt bloß nicht, daß Sie Milda sogar heiraten wollen! Daß Sie den ganzen Papierkrieg entfesseln wollen, der dazu nötig ist. Ein Mädchen, das Sie ein paar Tage kennen und von dem Sie – angeblich – nichts weiter wissen! Steigt in Swerdlowsk zu – ohne Fahrkarte! In Wattejacke, Stepphosen und derben Bauernstiefeln! Werner Antonowitsch, dahinter steckt doch ein Geheimnis!«
    »Milda hat es Ihnen doch erzählt.«
    »Die Sache mit dem Autofahrer, der sich als Liebeszechpreller davonmachte und das warme Vögelchen im kalten Winter allein ließ? Das soll ich glauben? Als Milda das erzählte, habe ich Sie übrigens beobachtet! Sie haben diesen Bericht mit einer Gelassenheit hingenommen, als handelte es sich um einen Wetterbericht. Sie waren ganz einfach zu unbeteiligt, Werner Antonowitsch! Auch das kann zum Verräter werden …«
    Werner Forster lehnte sich zurück.
    Jetzt erkannte er klar, wie sich Karsanows Zange um ihn schloß. Die Zange aus Kombinationen und Schlußfolgerungen …
    Mit dem Morgen und mit Mildas Erwachen würde Karsanow rücksichtslos mit dem zermürbenden Verhör fortfahren.
    Klaschkas Tod war nur ein Aufschub gewesen. Jetzt hinderte

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