Transsibirien Express
nicht, daß ein Ausländer an diesem Spektakel teilnahm.
Die Tür hatte Mulanow verriegelt, von draußen hörte man die Woge der Stimmen, die gegen die Wand des Waggons brandete.
Plotkin hatte nichts dagegen, daß der Deutsche mit im Raum war, denn er war einer der letzten, mit dem Klaschka gesprochen hatte.
»Ist das Ihre Hose, Fedja?« fragte Plotkin und hielt das blutbefleckte Beweisstück hoch.
Fedja wimmerte, krümmte sich wie ein durchgeschnittener Regenwurm und schwieg.
»Ist das Klaschka Iwanownas Geldbeutel?« Der Hauptmann hielt den Lederbeutel mit den zusammengefalteten Rubelscheinen und dem Hartgeld hoch.
Fedja wimmerte weiter, er schwieg auch weiter.
»So kommen wir nicht voran!« sagte Karsanow. »Bis jetzt war Ihre psychologische Mördersuche Ihre private Spielerei, Stepan Petrowitsch. Hätte der Koch keinen Rubel verloren, der unter ein Bett rollt, wären Sie in Wladiwostok aus dem Zug gestiegen, und Fedja hätte sich vor Freude ins Fäustchen gelacht.«
»Das möchte ich bestreiten!« Hauptmann Plotkin war sichtlich beleidigt. »Es liegen noch drei Tage und drei Nächte vor uns, Pal Viktorowitsch! In dieser Zeit hätte Fedja die Nerven verloren – so ein labiler Charakter wie er! Jedesmal, wenn er an der verschlossenen Tür des Aborts Nummer fünf vorbeiging, mußte er sich sagen: dort liegt Klaschka! Warum wohl immer noch? Warum fährt sie weiter mit? Was haben sie mit ihr vor? Und so wäre er in eine seelische Panik geraten, die unweigerlich sehr bald zu einem Zusammenbruch geführt hätte!«
»Ihre seelischen Paniken fallen mir allmählich auf die Nerven!« Karsanow entwickelte eine bemerkenswerte Grobheit.
Aus Karsanow wurde jetzt der Oberst im KGB Jarsanow, obwohl niemand wußte, ob das nun sein wirklicher Name war.
»Nun werde ich Ihnen zeigen, wie man das macht!«
Er griff Fedja roh in die zerwühlten Haare und riß den zerschlagenen, verquollenen Kopf hoch.
»Mein Bürschchen, jetzt reden wir miteinander. KGB!«
Das Wort fuhr in Fedja wie ein Blitz.
Er unterschied sich da in nichts von anderen Russen; wir kennen es ja schon von Mulanow her. Mit dem KGB zu tun zu haben … das ist, als wenn einem der Satan persönlich mit glühenden Fingern über den Kopf streicht. Wenn ein Russe diese drei Buchstaben hört, dann erinnert er sich an längst vergessene Gebete und sagt sie heimlich herunter.
»Steh auf!« rief Karsanow kalt.
Er zog den Kellner an den Haaren von der Bank. Forster staunte über diese plötzliche Kraft seines Abteilgenossen, der wie ein zufriedenes Väterchen aussah …
Nun stand Fedja. Er schwankte etwas, Mulanow stützte ihn im Rücken.
»Die Hose anziehen!« befahl Karsanow.
Durch Fedja lief ein Schluchzen. »Nein!« stammelte er. »Nein, Genossen, nein! Das nicht! Ich flehe Sie an …«
Plötzlich weinte er, dicke Tränen quollen aus seinen zerschlagenen Augen und liefen über das knochige Gesicht.
»Streift sie ihm über!« fuhr Karsanow ungerührt fort.
Vitali Diogenowitsch und Wladlen Ifanowitsch hielten Fedja fest, Mulanow zog ihm die Kellnerhose aus; und als Fedja in kurzen Unterhosen dastand, trat er plötzlich wieder um sich und kreischte hell.
Es half ihm nichts. Mit Gewalt und einigen Schlägen ins Gesicht streifte ihm Mulanow die blutbespritzte Hose über und knöpfte sie sogar zu.
»Sie paßt!« sagte Karsanow befriedigt. »Es ist seine Hose.«
An den Knöpfen der Hose und am Ansatz der Beine breitete sich jetzt ein nasser Fleck aus. Kurz darauf tropfte es aus den Hosenbeinen auf den Boden.
»Er pinkelt vor Angst!« bemerkte Plotkin mit Verachtung in der Stimme.
»Das ist gut!« Karsanow setzte sich an den Fensterplatz des Abteils und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Das hebt die Geständnisfreudigkeit. Was haben Sie zu sagen, Fedja?«
Der Kellner nickte, sein Wimmern hörte auf, er sank auf die gegenüberstehende Bank zurück.
Als er mit seinen Händen die Hose berührte, zuckte er zusammen und versteckte schnell die nassen Hände hinter dem Rücken.
Hauptmann Plotkin mußte widerwillig zugeben, daß Karsanows psychologische Behandlung eines Verdächtigen wirksamer war als die seine. KGB, dachte er. Natürlich! Das sind diese eiskalten Genossen, die sich auf das Zerbrechen eines Menschen verstehen …
»Sie waren es also?« fragte Karsanow, jetzt ganz freundlich.
Er nickte Werner Forster zu, der im Hintergrund nahe der Tür stand. »Haben Sie zufällig Ihre widerlich süßen Zigaretten bei sich, Werner
Weitere Kostenlose Bücher