Transsibirien Express
Antonowitsch?«
»Immer!«
Forster warf Karsanow seine Packung zu. Der holte eine Zigarette heraus, steckte sie Fedja zwischen die aufgeschlagenen Lippen und gab ihm Feuer.
Der Kellner machte gierig ein paar tiefe Züge, dann fiel ihm die Zigarette aus dem Mund.
Mulanow fing sie geschickt auf.
»Auch noch den Zug verbrennen!« sagte er laut. »Fedja, mein Junge, es hat keinen Sinn mehr, zu leugnen. Du bist überführt. Wie hast du das bloß tun können? Nicht mal eine Fliege hast du erschlagen, sondern weggewedelt …«
»Ich wollte es nicht …«, gestand Fedja kaum hörbar. »Genossen, ich wollte es bestimmt nicht … Es ergab sich einfach. Ich weiß auch nicht, wieso …«
Plotkin straffte sich stolz. Seine Theorie! Der Mörder wider Willen! Der von seiner Tat entsetzte Täter …
Karsanow warf dem Hauptmann einen bösen Blick zu.
»Nun platzen Sie nicht gleich, Stepan Petrowitsch! Mord bleibt Mord!« Er beugte sich zu dem Kellner vor. »Wie war's? Mach den Mund auf, oder wir bringen dich zu Klaschka und setzen dich auf sie …«
Fedja riß die Lippen weit auseinander. Sein dürrer Körper zuckte von neuem. In dem überhitzten Abteil stank es widerlich und scharf nach Urin.
»Die Zigarette …«, stammelte er.
Mulanow steckte sie ihm wieder zu.
Der Kellner rauchte schwer atmend, dann nahm er sie sich selbst aus dem Mund.
Karsanow nickte zufrieden. Die Schwelle war überschritten … ein Mensch hatte sich mit seinem Schicksal abgefunden.
Es war eigentlich gar nicht viel zu erzählen.
An jenem Abend, nachdem man im Schaffnerabteil Klaschkas Geld gezählt und Fedja mitgeholfen hatte, die Rubelstücke zu kleinen Zehnersäulen aufzutürmen, war der Kellner später zum Speisewagen zurückgekehrt.
Er hatte noch einige späte Durstige abgefertigt, war mit einem Tablett mit Mineralwasser und Keksschachteln durch die Gänge gelaufen und hatte dann den Speisewagen abgeschlossen.
Kusma Matwejewitsch, der Koch, lag schon in seinem Bett und schnarchte fürchterlich, etwas, was Fedja nicht ertragen konnte. Aber da er mit Kusma zusammenschlafen mußte, wurde das meistens ein kurzer Schlaf … richtig ausschlafen konnte er sich immer erst in Wladiwostok, an den freien Tagen.
Fedja zog sich also um und beschloß, noch zu einem Schwätzchen bei Mulanow und den anderen Schaffnern vorbeizugehen. Vielleicht traf er auch Klaschka auf ihrer Kundentour –, das war für ihn ein besonderes Erlebnis.
Er hatte ein paarmal heimlich zugeschaut, wenn sie ihre Reisendenbetreuung machte, und dieses Belauschen intimer Situationen hatte ihn immer sehr erregt. Auch dabei freute er sich auf Wladiwostok …
Dort gab es in den Hafengassen billigere Huren … eine Klaschka konnte sich ein einfacher Kellner wie Fedja nicht leisten.
Aber im Transsib Voyeur zu sein, das war ein Vergnügen besonderer Art und ganz umsonst! Selbst wenn es Klaschka merken sollte, wäre sie auch nicht böse drum gewesen. Man kann ja auch einem Schmied zuschauen, wie er das Eisen hämmert, und er hat nichts dagegen.
Mulanow und Vitali aber schliefen schon, als Fedja ins Schaffnerabteil hineinschaute. Wladlen war anscheinend vorn im Gepäckraum und spielte mit dem Postschaffner Lumeneff und dem Gepäckschaffner Amorfskij Karten.
Dann lege ich mich doch hin, dachte Fedja. Ich trinke noch schnell und heimlich drei Wodkas, dann wird es möglich sein, Kusmas Schnarchen zu ertragen. Selbst zwei, drei Stunden Schlaf können nützlich sein …
Er tappte also zurück, hoffte aber noch, irgendwo aus einem Abteil Laute von Klaschkas Arbeit zu vernehmen … Aber er lauschte vergebens an den zugeschobenen und verhängten Türen.
Kurz vor der Toilette Nummer fünf sah er dann Klaschka selbst. Sie kam mißmutig, in einem Kleid, aus dem ihre großen Brüste fast herausfielen, den Gang entlang und grinste Fedja mürrisch an.
»Eine Mistnacht, Fedja«, sagte sie. »Nichts zu tun. Sie schlafen wie die Säcke! Wenn ich einen wachrüttele, brummt er: ›Heute nicht! Mir liegt noch die Schneeschaufelei in den Knochen!‹, oder er beginnt zu feilschen wie ein Armenier, selbst als alter Kunde! Nicht einen Rubel habe ich bis jetzt verdient! Dieser Karsanow mit seinem Schneeschippkommando hat meine Kunden entmannt …«
Sie lehnten sich an die Gangwand, rauchten eine von Klaschkas Papyrossi und blickten in die vorbeijagende, im Schnee und Frost erstickte Taiga.
»Hast du denn ein Mädchen, Fedja?« fragte Klaschka plötzlich.
»Ab und zu …«, antwortete er. »Kein
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