Transsibirien Express
festes.«
»Warum nicht?«
»Bei meinem Beruf? Immer auf den Zügen! So ein junges Ding will nicht immer warten, und ehe ich mich betrügen lasse, regele ich das eben – von Fall zu Fall!«
Er grinste breit. Sein knochiges Gesicht wurde dadurch nicht schöner, aber es bekam den Ausdruck einer jungenhaften Schalkhaftigkeit.
»Wenn man sich das mal leisten könnte … mit dir, Klaschka …«
Sie schwiegen wieder, blickten in die Taiga und dachten beide das gleiche: eine langweilige Nacht! Trostlos wie die Landschaft …
Man sollte sich hinlegen und schlafen. Es kamen keine Kunden mehr … nicht zum Speisewagen, nicht zu einer Hure.
»Wieviel verdienst du denn, Fedja?« fragte Klaschka beiläufig.
»Einhundertfünf Rubel. Aber im nächsten Jahr, wenn ich Hauptkellner werde, steige ich auf zweihundert Rubel.«
»Eine ganz schöne Summe, einhundertfünf … aber eine krumme Summe«, sagte Klaschka und wandte sich zu ihm. Ihre prallen Brüste unter dem dünnen Kleid stießen gegen den Jungen. »Du solltest die fünf Rubel anlegen.«
Fedja war kein Trottel, auch wenn Kusma ihn manchmal so nannte. Er begriff sofort, schaute Klaschka auf die Brüste und schluckte ein paarmal, weil seine Kehle plötzlich trocken wie die Wüste wurde.
»Fünf Rubel?« fragte er heiser. »Tatsächlich nur fünf Rubel?«
»Ja …«
»Warum?«
»Nicht, weil du Fedja heißt! Eine Nacht ohne Verdienst, das geht gegen meine Standesehre! Und wenn's nur fünf Rubel sind –, den fehlenden Rest rechne ich als Spende für einen Unterprivilegierten! Ein soziales gutes Werk! Für fünf Rubel gibt es allerdings kein Feuerwerk, sondern nur eine Rakete.« Fedja nickte stumm. Sein Herz hämmerte gegen die Rippen, in seinen Schläfen trommelte das Blut, unter der Kopfhaut glühte es und über seinen Körper liefen kalte Schauer. Klaschka! Fedja Alexejewitsch Semlakow liebt eine Klaschka!
Der kleine unbedeutende Fedja, von dem man noch nicht einmal den Nachnamen kennt … Fünf Rubel für diese Frau, zwischen deren Brüste andere, reiche Männer ganze Bündel von Geldscheinen klemmen!
Und er, Fedja, der Junge, der immer nur heimlich zuschaute, er konnte jetzt …
»Starr nicht wie ein Ochse!« sagte Klaschka und ging zum Abort Nummer fünf, klinkte die Tür auf und winkte.
Es sah so ordinär aus, plötzlich so widerlich verworfen, so teuflisch geschäftlich, daß Fedja der Atem stockte.
Er nickte schweigend, er wußte kaum, wie er seine Beine bewegen sollte, er starrte Klaschka wie mit Fischaugen an …
Das enge dünne Kleid, die dicken Brüste, die festen Schenkel, der Schoß, der sich wie ein Dreieck durch den Kleiderstoff drückte, das Wiegen der Hüften … alles zusammen stieß wie eine Faust in seinen Magen und trieb ihm Übelkeit bis in die Kehle.
Ich kann Klaschka haben … für fünf Rubel … Fedja, du Glückspilz, warum willst du dich gerade jetzt übergeben?
»Du wirst nicht gefressen!« sagte Klaschka und zog Fedja mit einem Ruck in den engen Raum. Sie warf die Tür zu und verriegelte sie. Besetzt! Dann raffte sie ihr Kleid hoch …
Was auf dem Abort Nummer fünf nun geschah, war Fedja nicht mehr bewußt. Er hatte nicht einmal eine Ahnung davon, daß er ein Klappmesser in der Tasche getragen hatte. Er wußte nur eines:
Er brauchte die fünf Rubel nicht zu bezahlen, denn zu einer Gegenleistung Klaschkas war es nicht mehr gekommen.
Als er aus einer Art Trance erwachte, lag Klaschka mit einem Loch in der Kehle zu seinen Füßen, und ihr Blut schoß im Rhythmus des Pulsschlages aus diesem Loch. Das Kleid war bis zu den Brüsten hochgeschoben, und zwischen Klaschkas Beinen hing an einem Ledergürtel der Beutel mit dem Geld.
Das sah so unbeschreiblich gemein aus, daß er mit knirschenden Zähnen weiter auf die Hure eingestochen hatte, immer wieder, nach dem fünften Stich mit einer wilden Verzweiflung über sich selbst, über den braven Kellner Fedja, der nun fähig war, mit eigener Hand zu töten. Er, der sanfte, ungelenke Fedja Alexejewitsch Semlakow, so unbedeutend auf dieser Welt, daß keiner seinen Nachnamen kannte.
XII
»Noch eine Zigarette …«, sagte Fedja leise. »Bitte … noch eine Zigarette …«
»Darf ich?« fragte Karsanow und hielt die Packung hoch.
Forster nickte. Fedjas Erzählung hatte ihn an Mildas Schicksal erinnert, wenn auch vieles anders war. »Natürlich!« sagte er.
Man gab Fedja die Zigarette und steckte sie ihm zwischen die Lippen. Er selbst konnte es nicht mehr, seine Hände zitterten zu
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