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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beobachtete, wie Mulanow und Vitali mit dem Fahrdienstleiter sprachen, und sie sah eine üppige, ordinär geschminkte Frau aussteigen und auf und ab gehen. Sie rauchte eine Zigarette und gab eine unflätige Antwort, als der Fahrdienstleiter ihr etwas zurief.
    Vier Meter vor Milda war eine offene Tür. Vier Meter nur … drei große Sprünge!
    Sollte man es wagen? Wo stieg man wieder aus?
    Ein Zug ist auch nur ein rollendes Gefängnis für einen entflohenen Sträfling.
    »Einsteigen und die Türen schließen!«
    Die üppige Frau kletterte in den Wagen, die Schaffner liefen den Zug entlang. Der Bahnsteig war leer … und gegenüber, nur vier Meter weiter, war noch die offene Tür.
    Milda trat aus dem Schatten des Kiosks. Sie starrte die Tür an, duckte sich und rannte los.
    In diesem Augenblick bemerkte sie, gewissermaßen aus den Augenwinkeln, die Gestalt an dem dunklen Fenster.
    Dort stand ein Mann und blickte sie an.
    Zu spät!
    Es gab kein Zurück mehr. Mit dem Mut der Verzweiflung stürzte sich Milda Tichonowna auf die offene Tür, zog sich die Stufen hinauf und fiel fast in den Wagen.
    Zwei Sekunden später warf Mulanow von draußen die Tür zu. Sie krachte ins Schloß, der Sicherheitsriegel schnellte nach oben. Es war wie das Zuschlagen einer Zellentür.
    Gefangen in einem Zug! Die Unendlichkeit Sibiriens vor sich!
    Die Räder begannen zu rattern, ein Zittern lief durch den Zug, mit einem leisen Kreischen setzte er sich in Bewegung.
    Die ersten Minuten versteckte sich Milda auf der Toilette im Vorraum. Sie setzte sich auf das Becken, drückte beide Hände auf ihr Gesicht und begann wie ein kleines Kind zu weinen.

XI
    »Nun wissen wir es«, sagte Mulanow nach einer Weile des Schweigens.
    Milda Tichonowna hatte den Kopf an Forsters Brust gedrückt, er streichelte ihren Rücken und wußte, daß er nie wieder von ihr lassen würde.
    »Wenn sie es Karsanow erzählt, zieht er die Notbremse und bringt sie zur nächsten Polizeistation. Werner Antonowitsch, haben Sie eine Idee?«
    Forster hatte keine.
    Während Mildas Erzählung hatten sie Ulan-Ude passiert, kurz gehalten und waren jetzt auf der Strecke nach Tschita.
    Karsanow schien noch immer mit dem wild gewordenen Skamejkin beschäftigt zu sein, den auch die Drohung nicht abgehalten hatte, ihn in Ulan-Ude aus dem Zug zu werfen.
    »Mich aussetzen wie einen Bastard?« hatte er gebrüllt. »Mich, einen Bürger des Landes, Mitglied der Partei und Inhaber eines gültigen Fahrausweises? Ist das die Behandlung, die man einem Mann bietet, der nur Gerechtigkeit will? Der Staat hat meine neuen Schuhe zurückgehalten … ich verlange vom Staat, daß mir die Schuhe nach Tschita oder Chabarowsk nachgeflogen werden!«
    Es war zum Heulen! Im Innern der Funkkabine saß Hauptmann Plotkin herum, durfte nicht gesehen werden und konnte deshalb auch nicht klärend eingreifen … draußen tobte Karsanow herum, drohte und fluchte und hatte doch keine Möglichkeit, den wie ein angeschossener Eber rasenden Skamejkin zur Vernunft zu bringen.
    Selbst als Karsanow seinen KGB-Ausweis zeigte, erlebte er ein geradezu russisches Wunder: Dementi Michailowitsch Skamejkin spuckte auf den Ausweis und erklärte, jawohl, er wolle verhaftet werden! In einem Gerichtssaal, vor Hunderten von Journalisten aus aller Welt, wolle er seine schändliche Behandlung schildern!
    »Wir müssen Wladiwostok erreichen«, sagte Werner Forster. »Das ist das einzige Ziel, Mulanow. Bis Wladiwostok muß verhindert werden, daß Karsanow die Geschichte Mildas erfährt.«
    »Aber wie? Wie, Werner Antonowitsch?« Mulanow rang die Hände. »Oh, lebte doch Klaschka noch! Sie hatte immer eine Idee! Ich kann Milda im Zug verstecken, aber können Sie sich vorstellen, was Karsanow dann unternehmen wird? Bis Wladiwostok hat er jeden Winkel durchgesehen! Es gibt nur einen sicheren Ort … der Abort, in dem Klaschka liegt.«
    »Nein!« schrie Milda hell auf. »Nein! Nein!«
    Sie kroch fast in Forster hinein und war plötzlich so klein wie ein Kind.
    »Ein blödsinniger Vorschlag, Boris Fedorowitsch«, sagte Forster böse zu dem Schaffner. »Wollen Sie Mildas Nerven vollständig zerstören?«
    »Dann schlagen Sie etwas anderes vor. Aber es muß schnell sein! Karsanow kann jeden Augenblick zurückkommen. Auch Skamejkins Nerven sind einmal zerrissen. Es braucht nur jemand auf die Idee zu kommen, ihm eine Ohrfeige zu geben, dann ist alles zu Ende!«
    »Dann bleibt nur noch der direkte Angriff auf Karsanow!« Forster sagte es ganz hart.

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