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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Kurve legte, erhaschte ich einen Blick auf das Land, das sich ostwärts über Südspanien hinweg zur echten Wüste von Almeria erstreckte. Seine Kargheit war von graugrünen Flecken – vielleicht Olivenhaine – durchbrochen. In weiterer Ferne sah ich blendend helle, silberne Rechtecke, bei denen es sich um Treibhäuser oder Solarfarmen handeln mochte – und ein dünnes, nadelartiges Gebilde, wahrscheinlich die berühmte, einen Kilometer hohe Sonnenuhr. Aber dies waren nur spärliche Lebenszeichen in einer endlosen, leeren Landschaft.
    Der Flughafen-Terminal war eine große Schachtel aus Glas und Beton im Chic der Jahrhundertwende, aber der Beton war rissig und fleckig. Spinnenartige Reinigungsbots kletterten steifbeinig über die Fenster; sie schienen den Schmutz nur hin und her zu schieben. Selbst im Innern des Terminalgebäudes lag rötlicher Staub auf dem Boden, achtlos in die Ecken gefegt, wo er sich wie feinkörniger Sand zu winzigen Dünen häufte.
    Die Abfertigung der Neuankömmlinge verlief jedoch durchaus zügig. Meine Befragung beim Ausstieg aus dem Flugzeug dauerte nur eine halbe Stunde, inklusive der üblichen Blut-, DNA- und Retina-Scans, einem psychologischen Profil und Nervensonden. Aber es gab eine Menge Lauferei von einer Phase der Einreiseprozedur zur nächsten, und nur ein kleines Rinnsal von uns Passagieren absolvierte sie. Ich kam mir vor wie in den Eingeweiden einer riesigen Maschine, deren Aufgabe darin bestanden hatte, mittlerweile verschwundene Menschenherden zu verarbeiten.
    Nachdem ich mein Gepäck abgeholt hatte, brachte ich die Zollabfertigung hinter mich. Und da stand meine Tante Rosa, um mich abzuholen.
    Sie war eine kleine, gedrungene, seltsame muskulöse alte Frau mit runden Schultern und langsamen, steifen Bewegungen. Ihr Gesicht war eine Scheibe aus faltiger Haut, gegerbt wie Leder, aber die Augen waren hell und klar, winzige graue Steine. Sie sah Onkel George, ihrem Bruder, viel ähnlicher als meiner Mutter, ihrer Schwester. Ihr grob geschnittenes Haar war ein Wirrwarr grauer Fäden. Sie trug die Uniform ihres Berufs, schwarze Bluse, schwarze Hose und eine Strickjacke aus schwarzer Wolle, die trotz der Nachmittagshitze schwer aussah. Selbst die auf Hochglanz polierten Schuhe an ihren kleinen Füßen waren schwarz. Und um den Hals trug sie einen hellen Streifen aus gestärktem Stoff.
    Sie musterte mich mit kritischem Blick von oben bis unten; nach dem langen Flug fühlte ich mich benommen und zerknautscht. »Du bist also Michael. Ginas Junge.«
    »Freut mich, dich kennen zu lernen, Tante Rosa.«
    »Tante.« Sie kicherte. »Großer Gott, du musst fünfzig Jahre alt sein. Was ist denn das für ein Wort?«
    »Ich bin sogar schon zweiundfünfzig…«
    ›»Rosa‹ wird reichen, glaube ich.« Ihr Akzent war seltsam, eher ein britisch gefärbtes Englisch als amerikanisch, aber mit einer unbekannten Sprachmelodie.
    Wir standen einander gegenüber. Ich kam mir unbeholfen vor und fühlte mich unsicher. Am Ende bückte ich mich und küsste sie erst auf die linke, dann auf die rechte Wange, im europäischen Stil. Sie wich nicht zurück, schaute aber amüsiert drein. Ihre Haut war warm und sehr trocken.
    Sie trat zurück. »So, das hätten wir also hinter uns. Hast du dein ganzes Gepäck? Gut. Dann komm mit…« Sie führte mich aus dem Terminal-Gebäude.
    Als wir aus der klimatisierten Luft ins Freie traten, war es, als liefe man gegen eine Mauer. So etwas hatte ich noch nie erlebt; die trockene, schwere Hitze schien meiner Haut noch den letzten Rest Feuchtigkeit zu entziehen, und die Luft hatte einen staubigen, beinahe aromatischen Geruch. Es war fast wie bei meinen aufrüttelnden Erlebnissen im virtuellen Perm. Rosa stampfte einfach durch die Hitze, ohne sie zu beachten. Ich bemühte mich, ihr zu folgen.
    Sie führte mich zu einem Stand, wo ein Taxi auf uns wartete, eine leere weiße Kapsel mit getöntem Glas. Ich berührte den Metallgriff des Kofferraums und bekam einen elektrischen Schlag, der mich zurückzucken ließ.
    Rosa zog die fast unsichtbaren Augenbrauen hoch. »Das ist die Lufttrockenheit«, sagte sie. »Berufsrisiko. Du wirst dich schon dran gewöhnen. Oder auch nicht. Steig ein.«
     
    Rosa lebte in einem Stadtteil namens La Macarena im Norden Sevillas, in dem es lauter winzige, barocke Kirchen und Tapas-Bars gab. Doch selbst hier war kein Mensch zu sehen, als unser Taxi sich durch enge Straßen schlängelte. Viele der Bars und Geschäfte waren verrammelt, und das

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