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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht wahr? Sie schrumpfen mit zunehmender Höhe – aber wenn du die Spitze selbst erreichst, verwandeln sich diese Kreise plötzlich in einen Punkt, eine ganz andere geometrische Einheit. Das ist eine Diskontinuität, ein Sprung.
    So ist es auch bei der Transzendenz. Sie wird von ihrer gegenwärtigen Verstreutheit und Unvollkommenheit zu einer neuen Bewusstseinsebene übergehen, einer Totalität, die als Kristallisation des Geistes ein umfassendes Verständnis des Universums und unserer selbst beinhalten wird. Wenn sie ihren Phasenübergang durchmacht, wird die Transzendenz unendlich und ewig. Im wahrsten Sinne des Wortes. Sie plant bereits in solchen Dimensionen.«
    In Alias Ohren klang das wundervoll und Furcht einflößend zugleich, aber auch verwirrend. »Wie kann man planen, unendlich zu sein?«
    »Was weißt du über Unendlichkeiten, Alia?«
    »Was glaubst du?…«
    Unendlichkeit sei eine Denkweise, erklärte er, nicht so sehr eine Zahl als vielmehr ein Prozess. Und der Prozess der Unendlichkeit forme die Art und Weise, wie die Transzendenz ihre Pläne für die Zukunft entwickle.
    »Unendlichkeit gibt dir Raum. Stell dir Folgendes vor. Angenommen, du besäßest ein Sternenschiff, größer als die Nord, ein riesiges Schiff mit einer unendlichen Anzahl von Kabinen. Du nummerierst die Kabinen: eins, zwei, drei… In jeder Kabine hast du einen Passagier – eine unendliche Anzahl von Passagieren. Doch nun legt ein weiteres Schiff an, ebenfalls mit einer unendlichen Anzahl von Passagieren, die alle eine Unterkunft haben möchten. Was tust du?«
    »Ich weise sie ab. Mein Schiff ist schon voll.«
    »Wirklich? Versuch es mal so. Du gehst deinen unendlich langen Korridor entlang. Du sagst dem Passagier in Kabine eins, er müsse in Kabine zwei umziehen. Den Passagier in Kabine zwei verlegst du in Nummer vier. Der Passagier in drei geht nach sechs…«
    »Jeder wird ein Stück weiter geschoben«, sagte sie. »In eine Kabine mit doppelt so hoher Nummer wie seine alte.«
    »Hast du Platz genug für alle?«
    Sie überlegte. »Ja. Weil ich eine unendliche Menge geradzahliger Kabinen habe.«
    »Und wie viele Kabinen hast du frei gemacht?«
    »Alle ungeraden.« Sie dachte darüber nach. »Von denen habe ich auch eine unendliche Menge.«
    »Und was machst du nun mit der neuen Gruppe von Passagieren?«
    »Ich begrüße sie an Bord…«
    Er lächelte. »Siehst du? Unendlichkeit plus Unendlichkeit ist gleich Unendlichkeit. Mit Hilfe der Unendlichkeit kannst du Dinge tun, die die Endlichkeit dir verböte. Unendlichkeit ist eine Funktion; sie ist eine Methode, Dinge zu tun, eine scheinbar paradoxe Denkweise. Die Transzendenz ist noch nicht unendlich, aber nach ihrer Singularität will sie es sein. So also denkt die Transzendenz, Alia. Wenn du die Transzendenz verstehen willst, musst auch du so denken.«
    »In meinem Kopf ist nicht unendlich viel Platz.«
    Er hielt Daumen und Zeigefinger ein paar Zentimeter auseinander. »Wie viele reelle Zahlen gibt es zwischen null und eins?«
    »Eine unendliche Menge?«
    »Ja, in der Tat, eine unzählbare unendliche Menge… Es gibt viele Unendlichkeitskategorien; das wollen wir jetzt nicht weiter vertiefen. Man kann Unendlichkeit also in einen endlichen Raum packen.«
    »Na schön. Aber dies ist das reale Universum! Was ist mit der Körnigkeit von Raum und Zeit, von Materie und Energie? Was ist mit der Quantenunschärfe?«
    Er zwinkerte ihr zu. »Ich werde mir darüber nicht den Kopf zerbrechen, wenn du es nicht auch tust.«
     
    Sie traten in einen spektakulären Himmel ein.
    Sie waren aus einer gewissen Entfernung in den Kern gekommen, den »Bulge«, wie die Verdickung im Zentrum hieß, und überall waren Sterne, Sterne und turbulente Gas- und Staubwolken. Man sah noch immer einen Vorhang aus Dunkelheit hinter den Sternen, einen schwarzen Himmel, der vom Licht nicht vollständig verdeckt wurde. Aber in Richtung des Zentrums ballten sich die Sterne noch dichter.
    In diesem Bad aus Licht und Strahlenschauern waren einst tausendjährige Kriege ausgefochten worden, und zahllose Menschen hatten ihr Leben verloren.
    Vor diesem überwältigenden Hintergrund wirkte die Welt der Transzendenten, die sich vor dem Lichtermeer abzeichnete, wenig anziehend. In Wirklichkeit war sie nicht einmal ein Planet, sondern kaum mehr als ein Asteroid, obwohl die Trägheitsgeneratoren in ihrem Kern ihr eine Schwerkraft in der Nähe des Standardwerts und eine so dicke Luftschicht verliehen, dass man darin atmen konnte.

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