Transzendenz
Einzige, was sich bewegte, waren Insekten und Reinigungsroboter.
Ein paar der imposanteren Residenzen hinter hohen Mauern und Gittern wiesen jedoch Lebenszeichen auf. Auf einigen dieser Anwesen wuchsen Bäume, Oliven oder Orangen, und es gab sogar kleine Rasenflächen; Sprinklerköpfe zeigten in alle Richtungen. Das Viertel war sauber – auf den Straßen lag kein Müll, die Graffiti war von den Mauern geschrubbt –, doch es herrschte eine allgemeine Atmosphäre des Verfalls. Die Stadt hatte den Anschein, als wäre sie nur von Maschinen bewohnt, von Robotern, die hirnlos und ziellos Straßen und Mauern schrubbten, während zugleich alles verrottete und wieder im trockenen Boden versank. Und trotz der offensichtlichen Anstrengungen der Reinigungsbots war alles von einer feinen Patina aus orangefarbenem Staub bedeckt.
Spanien verlor seine Menschen. Die Bevölkerung hatte sich seit Anfang des Jahrhunderts halbiert und würde sich an dessen Ende erneut halbiert haben. Ich hatte das gewusst; es war ein Extremfall des allgemeinen Bevölkerungsschwunds im Westen. Aber ich hatte nicht erwartet, dass es so auffällig sein würde, dass die Stadt so leer wirken würde.
Rosas winzige Wohnung befand sich im zweiten Stock eines Mietshausblocks in der Nähe einer Straße namens Calle del Torneo, die dem Flussverlauf folgte. Rosa deaktivierte die strengen Sicherheitsvorkehrungen durch eine Handbewegung und indem sie einige wenige Zellen von ihrer Fingerspitze für einen DNA-Tester opferte. Selbst im Innern des Gebäudes sah ich keine Menschenseele, als wäre Rosa die letzte noch lebende Bewohnerin Sevillas.
Die klimatisierte Luft in der Wohnung war kühl, feucht und frisch. Rosa hatte eine kleine Küche mit einer Essecke, die auf einen Balkon mit Blick auf die Stadt hinausging, und ein freies Zimmer, in dem ich mein Lager aufschlagen durfte. Ein paar Koch- und Reinigungsbots krabbelten in der Wohnung herum. Rosas Ausrüstung zu ihrer Unterstützung schien viel schlichter zu sein als die von George – aber ich sah auch, dass sie besser gealtert war als er. Außerdem schien sie einige der höheren KI-Funktionen ihrer diversen Maschinen abgeschaltet zu haben. Von dieser Crew kam keine Widerrede, und es gab nichts, was Georges ein wenig irritierendem Spielzeugroboter-Gefährten ähnelte.
Das Badezimmer war winzig. Ich duschte in einem Wasserrinnsal, das stetig lauwärmer wurde. Orangeroter Staub wurde aus meinen Haaren und von meiner Haut gespült und sammelte sich zu meinen Füßen. Später erfuhr ich, dass Wasser hier sündhaft teuer war – weshalb jene imposanteren Residenzen, die Häuser der Reichen, es auf so demonstrative Weise verschwendeten. Mit Rosas Segen legte ich mich eine Stunde hin und machte ein Nickerchen. Meine Träume waren turbulent, und ich wachte auf, ohne mich erfrischt zu fühlen.
Rosa machte mir etwas zu essen. Wir setzten uns an ihren Tisch am Fenster mit Blick auf die Stadt. Ein Sonnenuntergang ragte in den Himmel, ein Fleck aus staubigem Licht. Die Gebäude vor mir zeichneten sich als Schemen vor der untergehenden Sonne ab, eine unebene, chaotische Skyline, aber nur in einer Hand voll Häuser brannte Licht.
Rosas Essen war überraschend gut. Es seien regionale Gerichte, sagte sie. Sie servierte mir eine Fischsuppe mit Brot und Bitterorangenzesten, die sie cachorreñas nannte. Dann aßen wir dicke Bohnen mit geräucherten Fleischstücken, habas a la rondeña. Aber das Fleisch war genmanipulierter Schinken, abgeschnitten von einer hirnlosen, würfelförmigen, unsterblichen Masse in irgendeiner Fabrik; ich fand es ein wenig geschmacklos und wässrig.
Wir unterhielten uns über die Familie. Rosa wirkte nur mäßig interessiert. Darin ähnelte sie eher meiner Mutter als George. Über Tom und seine Eskapade in Sibirien wusste sie jedoch Bescheid.
Und sie wusste alles über Morag. Sie schnitt das Thema an, noch bevor wir mit den Bohnen fertig waren.
»Nun lass uns mal die Karten auf den Tisch legen, bevor wir weitermachen.« Sie tippte sich mit einem abgeknickten Finger an ihren steifen, hohen Kragen. »Bist du deswegen hier, Michael? Wegen Glocke, Buch und Kerze?«
»Ich bin gekommen, weil George es für eine gute Idee hielt.«
»Ah, George, mein lieber, spät wieder gefundener Bruder. Der Familienmensch, wie er im Buche steht. Das ist sein Instinkt, weißt du; wenn man vor einem Problem steht, sollte man es in die klebrigen Netze der Familie wickeln. Hätte er eigene Kinder gehabt, würden ihm die
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