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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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charakteristischen trockenen Humor. »Kaum war die Fotografie erfunden, tauchten auch schon die ersten Bilder von Geistern auf – aber natürlich waren sie nie scharf genug, dass sie als Beweis für die Existenz der Geister dienen konnten.«
    Thomas Edison hatte versucht, Maschinen zur Entdeckung von Erscheinungen zu erfinden. Das faszinierte mich; immerhin schien er es nicht fantastischer gefunden zu haben als andere erstaunliche Dinge, die er mit Erfolg getan hatte, zum Beispiel Städte mit Hilfe von Elektrizität zu erleuchten oder die menschliche Stimme auf Platten aus Wachs einzufangen.
    »Als sich das Internet ausbreitete, wurde auch dieses sofort von Geistererscheinungen heimgesucht; Leute erhielten spektrale E-Mails von Absendern, die es gar nicht gab.«
    »Und jetzt tauchen sie sogar in der virtuellen Realität auf«, sagte ich trübselig.
    »Aber sie hinterlassen nach wie vor keine Spuren«, erwiderte Rosa.
    Ich glaube, dieses Gespräch half mir dabei, mit der ganzen Sache fertig zu werden. Nicht so sehr, weil Rosa mich ernst nahm, sondern weil ihre geduldigen, analytischen Untersuchungen eine beruhigende Wirkung auf mich hatten. Indem Rosa analysierte und klassifizierte, indem sie Ursache und Wirkung, Motiv und Ausführung entwirrte, brach sie die Rätselhaftigkeit und Willkür auf, die mich von Anfang an verblüfft und beunruhigt hatten. Dies musste nicht unbedingt ein überwältigender Albtraum sein: Das war der Subtext ihres Dialogs mit mir.
    Aber es war mir unangenehmer, in diesem geschmacklosen Hotel in Palm Springs über Geister und Spukerscheinungen zu sprechen, als in Spanien. An einem in Jahrtausende blutgetränkter Geschichte getauchten Ort wie Sevilla war es mir richtig vorgekommen, über tiefere Wirklichkeitsordnungen nachzudenken. Das gute Palm Springs war ein Monument des Trivialen, des Sinnlichen; trotzig in seiner eigenen oberflächlichen Realität verharrend, schien es das ganze Universum zu verschlingen und keinen Raum für Geheimnisse zu lassen.
    Vielleicht fühlte ich mich aber auch einfach nur schuldig, weil ich meine Zeit mit diesem »Gespensterkram« verbrachte, wie Tom es hartnäckig nannte.
    »Komplizierte Angelegenheit, dieses Schuldgefühl«, sagte Rosa, als ich es ihr zu erklären versuchte. »Wir Katholiken denken seit zweitausend Jahren darüber nach und sind immer noch nicht damit zurande gekommen. Ich rate dir, es einfach zu akzeptieren. Ist gut für die Seele.«
    Und nun erklärte sie mir, was immer mir widerfahre, ich stünde allem Anschein nach damit nicht allein da.
     
    Überall in der Welt hatten Sichtungen jeglicher Art erheblich zugenommen. Der Trend zeige seit den ersten paar Dekaden des Jahrhunderts nach oben und schieße nun »über das Ende der Skala hinaus«, sagte sie.
    »Selbst wenn jede einzelne dieser Sichtungen, einschließlich deiner, irgendwie gefälscht ist, sagt uns ihre Gleichzeitigkeit etwas. So viel steht fest.«
    Ich hob die Schultern. »Ja. Aber was?«
    Sie drohte mir mit dem Finger. »Du machst Fortschritte, Michael, aber du hast noch einen weiten Weg vor dir. Wenn dies ein technisches Problem wäre, stündest du nicht so hilflos davor. Du würdest überlegen, auf welche Weise du es in Angriff nehmen könntest, nicht wahr? Zum Beispiel, indem du nach weiteren Daten suchst.«
    »Und das hast du getan?«
    Sie habe in historischen Unterlagen gegraben, sagte sie – in der Hoffnung, darin Aufzeichnungen über Vorfälle zu finden, die ein Licht auf die gegenwärtigen Geschehnisse werfen könnten. Und sie hatte Erfolg gehabt.
    Es hatte auch früher schon ähnliche Wellen von »Geistererscheinungen« gegeben. Als im vierzehnten Jahrhundert der schwarze Tod in Europa gewütet hatte und vielleicht ein Drittel der Bevölkerung ums Leben gekommen war, hatte es viele Berichte über Geistererscheinungen, Heimsuchungen und andere Manifestationen gegeben. Noch früher, im dreizehnten Jahrhundert, waren plötzlich die Mongolen aus Zentralasien aufgetaucht und plündernd und massakrierend nach China, Südostasien und Europa vorgedrungen – und hatten dabei, wie es schien, eine Bugwelle von Geistersichtungen und übernatürlichen Ereignissen erzeugt.
    Einige von Rosas Beispielen stammten eher aus den archäologischen als den historischen Archiven. »Nimm die präkolumbianischen Völker Amerikas«, sagte sie. »In den wenigen Jahrzehnten nach Kolumbus’ Landung verringerte sich ihre Bevölkerungszahl drastisch. Sie wurden von Krankheiten dahingerafft, massakriert

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