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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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Jetzt sind wir in den Fünfzigern, und er ist immer noch ein paar Jahre älter.«
    Rosa lachte leise.
    John funkelte uns wütend an. »Ja, ja. Vergiss bloß nicht, wer deine Rechnungen bezahlt. Und es geht nicht nur um das Projekt, Michael.« Er bemühte sich offenkundig, einen sanfteren Ton anzuschlagen; er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. »Du solltest auch daran denken, welche Wirkung du auf andere hast. Insbesondere auf Tom. Er leidet unter deiner Jagd nach dieser« – er wedelte mit der Hand – »dieser Chimäre. Sie war deine Frau, aber sie war auch seine Mutter, vergiss das nicht.«
    »Meine Beziehung zu meinem Sohn geht dich einen feuchten Dreck an.«
    Er hob die schweren Hände. »Okay, okay.«
    Aus Rosas Miene sprach belustigter Argwohn. »Worum geht es hier eigentlich wirklich, John?«
    Er sah sie finster an. »Ich mache mir Sorgen um Michael.«
    »Ja, daran mag etwas Wahres sein. Aber ich bin sicher, du wärst ganz froh, wenn dein kleiner Bruder eine Bauchlandung hinlegen würde, sofern ihm dabei kein dauerhafter Schaden zugefügt wird. Also, warum interessierst du dich für diese Sache mit Morag?«
    Charakteristischerweise ging er sofort zum Gegenangriff über. »Und wie steht’s mit dir, Rosa? Welches Motiv hast du, meinem Bruder den Verstand zu vernebeln?«
    »Würdest du mir glauben, wenn ich sage, dass ich dieses Problem tatsächlich lösen will, dass ich meinem Neffen helfen will, dass ich kein höheres Motiv habe? Abgesehen von schlichter Neugier natürlich; gute Gespenstergeschichten mochte ich schon immer… Nein, das würdest du wahrscheinlich nicht, oder?« Ich freute mich insgeheim, dass sie sich nicht aus der Fassung bringen ließ.
    John starrte sie an. »Glaubst du wirklich an Geister?«
    Es war eine simple Frage, die ich bei unserer immer differenzierteren Beschäftigung mit dem Morag-Rätsel nie ganz auf diese Weise gestellt hatte, und ihre Antwort interessierte mich.
    Sie überlegte kurz. »Weißt du, was Immanuel Kant über Geister gesagt hat? ›Ich unterstehe mich nicht, so gänzlich alle Wahrheit an den mancherlei Geistererzählungen abzuleugnen, doch mit dem gewöhnlichen obgleich wunderlichen Vorbehalt, eine jede einzelne derselben in Zweifel zu ziehen, allen zusammen genommen aber einigen Glauben beizumessen.‹ Als Priesterin lernt man schnell, dass es ein weites Spektrum der Gläubigkeit gibt, dass vollständige Akzeptanz und absolute Leugnung nur zwei Pole, zwei Wahlmöglichkeiten unter vielen sind.« Sie lächelte. »Oder, anders ausgedrückt, ich bin unvoreingenommen.«
    Das schien John wütend zu machen. Er stand auf. »Das ist doch gequirlte Scheiße.«
    »Pass auf, was du sagst, John«, warnte ich. »Sie ist deine Tante und eine Priesterin. Eine Priesterin, die gequirlte Scheiße redet.«
    Er drehte sich zu mir. »Du solltest dir diesen Müll wirklich aus dem Kopf schlagen, Michael. Um deiner selbst willen, und auch um unseretwillen.« Er klatschte in die Hände und verschwand wie ein dicker Flaschengeist im Geschäftsanzug.
    Rosa starrte die Stelle an, wo er gewesen war. »So viele Fragen, so viele Konflikte. Dein Bruder ist ungewöhnlich, selbst für einen Poole.« Sie drehte sich zu mir um. Ihr Blick war direkt und forschend. »Michael, ich glaube, dein Bruder verheimlicht dir etwas – irgendetwas an all dem bereitet ihm größere Sorgen, als er zugeben will. Ihr müsst das klären, ihr beide, was immer es ist. Du hast ihn nun mal am Hals, weißt du. Ihr habt euch beide am Hals, euer Leben lang. Das ist das Schlimme an Familien.«
    Ich sah sie überrascht an. Was John betraf, so hatte ich auch schon dieses Gefühl gehabt; es war beunruhigend, es nun bestätigt zu bekommen. Aber welches Geheimnis mochte er in diesem dichten, dunklen Gewirr – ich und Morag, Tom und ein Geist – hüten?
     
    Rosa stand auf. Ihr Stuhl verschwand in einem Nebel von Pixeln. »Vielleicht reicht das fürs Erste.«
    »Okay. Aber unsere Gespenstergeschichte – wie geht es damit weiter?«
    »Du stimmst mir sicher zu, dass wir mehr Daten brauchen. Ich schlage vor, du wartest auf eine weitere Erscheinung. Oder du suchst selbst nach ihr, wenn du den Mut hast, so wie in York. Aber sorge diesmal dafür, dass du so viel wie nur möglich aufzeichnest – insbesondere diesen seltsamen Monolog im Maschinengewehrtempo.«
    »Ich werd’s versuchen«, sagte ich unschlüssig. »Ich weiß nicht, wie schwierig es sein wird.«
    Sie lächelte. »Du wirst Hilfe bekommen. Eine andere

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