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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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Es war die einzige eiserne Regel der Nord. In ihren beschränkten Räumlichkeiten durfte man zwei Kinder bekommen; wenn man ein drittes haben wollte, musste eines der anderen gehen, um Platz zu machen; es musste das Schiff verlassen. »Ihr habt es vor mir geheim gehalten. Ihr seid zum Behälter gegangen. Ihr habt das alles geplant…«
    Ihre Mutter nahm ihre Hände. »So ist das nicht, Alia, ganz und gar nicht. Wir durften dir nicht sagen, dass sich das Commonwealth für dich interessiert.«
    »Warum nicht?«
    »Falls das Commonwealth dich schließlich doch nicht gewollt hätte«, erklärte Reath sanft. »Dann hättest du dich vielleicht zurückgewiesen gefühlt, weißt du. Man glaubt, dass es so schonender ist.«
    »Aber wir mussten planen«, sagte Bel. »Das verstehst du doch, oder? Wir dachten, wir würden dich verlieren. Wir mussten planen, was danach kommen würde.«
    Auf einmal war Alia alles klar. »So ist das also. Das Commonwealth will mich von hier wegholen, und das gibt euch die Möglichkeit, mich loszuwerden und ein neues Kind zu bekommen. Ihr geht einfach davon aus, dass ich mit Reath gehen werde. Mit diesem Fremden. Damit ihr mit diesem Baby daheim bleiben könnt.«
    »Aber es ist eine großartige Gelegenheit«, sagte ihr Vater. »Eine Ehre. Jeder würde gehen wollen.«
    »Du wirst gehen«, sagte ihre Mutter. Aber sie warf einen raschen Blick auf das Baby, und in ihrer Stimme lag nun ein Anflug von Panik. »Oder nicht?«
    Reath trat neben Alia, eine große, ruhige Präsenz. Plötzlich fühlte sie sich ihm näher als ihrer eigenen Familie.
    Er sagte: »Mach dir nichts daraus, Alia. Es hätte nicht so schwierig sein sollen. Daran tragen wir alle die Schuld. Aber ich habe genug von dir gesehen, um zu wissen, dass du es nicht bereuen wirst, wenn du mit mir kommst. Ich werde dich zu Orten mitnehmen, die du dir nicht einmal vorstellen kannst. Das Zentrum der Galaxis – Welten ohne Zahl. Du wirst ausgebildet werden, und man wird dein Potenzial zur vollen Entfaltung bringen. Dein Geist wird sich wie eine Blume öffnen!«
    »Aber zu welchem Zweck?«
    »Hast du dir das wirklich noch nicht zusammengereimt?« Er lächelte. »Ich möchte, dass du eine Transzendentin wirst, Kind.«
    Ihr fiel das Kinn herunter. »Ich?«
    »Du bist genau die Richtige dafür.«
    Eine Transzendentin zu sein – das war unvorstellbar. Stolz und Neugier zupften an ihrem Herzen – und, ja, Ehrfurcht. Aber sie hatte auch Angst. »Kann ich auch hier bleiben, wenn ich will?«
    »Natürlich«, sagte ihr Vater. Aber ihre Mutter warf immer verzweifeltere Blicke auf das Baby, und Alia wusste, dass sie in Wirklichkeit keine Wahl hatte, überhaupt keine.

 
5
     
     
    Ich hatte die Nachricht von der Katastrophe aus dritter Hand bekommen, von dem Freund eines Freundes von Tom. Sie kam aus dem Nichts und war wie ein Schlag vor den Kopf.
    John gab sich mitfühlend und besorgt. Was für ein Trottel. Ich war schon immer der Ansicht gewesen, dass mein Bruder in solch schwierigen Momenten nicht so recht kapierte, was los war; er hatte kein richtiges Gespür für die tiefen Gefühle, die einen umstrudelten, und konnte nie so ganz verstehen, was der andere empfand. Er sah seine Aufgabe darin, die Dinge in Ordnung zu bringen, und diese Rolle spielte er gut. Aber er begriff nichts.
    Und seine beiden glücksmodifizierten Kinder ebenso wenig. Mit ihren leeren, hübschen Augen beobachteten sie mich, um zu sehen, was ich tun würde, als wäre ich ein Tier, das jemand mit einem Stock angestupst hatte.
    Meine Mutter war ein weitaus komplizierterer Fall. Sie wuselte herum und versorgte alle mit heißen Getränken; ihre Selbstbeherrschung war unerschütterlich. Aber sie war innerlich hohl und zerbrechlich, eine Porzellanpuppe, die irgendwie fast ein Jahrhundert überlebt hatte. John fühlte es überhaupt nicht; meine Mutter fühlte es, kämpfte aber dagegen an. Wer von den beiden war kaputter?
    Wie auch immer, ich hatte zu tun. Ich verzog mich in mein Zimmer.
     
    Ich setzte mich aufs Bett, das Bett, in dem ich als Kind geschlafen hatte, das Bett, das Tom bei seinen Aufenthalten hier ein paar Mal benutzt hatte, und sprach in die Luft, um mit meinem Sohn Kontakt aufzunehmen. Ich kam weder zu Toms Implantaten noch zu dem Büro durch, in dem er arbeitete. Die lokalen Kommunikationseinrichtungen in Sibirien waren ausgefallen, und die Netzwerke als Ganzes schienen davon in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Ich stellte mir einen riesigen, grob aus dem

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