Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
lieber vergäßen, denken sie auch nicht gern über ihre Position in der Zeit nach. Und an den Tod möchten sie schon gar nicht denken!«
    Ihr wurde immer unbehaglicher zumute. »Und deshalb bist du hier? Weil ich zu viel nachdenke?«
    »Niemand denkt zu viel nach. Und du kannst sowieso nichts dagegen tun, oder?« Er ging zu ihrem Beobachtungstank. Es war ein silberner Würfel, halb so groß wie er. »Darf ich?«
    Sie zuckte die Achseln.
    Er tippte auf die Oberseite des Tanks.
    Dieser wurde durchsichtig und gab den Blick auf ein durchscheinendes Inneres frei. Es war von einem sanften Licht erfüllt, das die Flächen von Reaths Gesicht betonte. Und durch das Licht schlängelte sich ein hellrosa Band, das Schlaufen bildete und sich um sich selbst wand. Bei genauerem Hinsehen konnte man erkennen, dass es kein schlichtes Kabel war; es besaß kleine Vorsprünge und Wulste. Und wenn man noch genauer hinschaute, sah man gerade eben, dass es sich in Wahrheit um eine Art Kette handelte, deren Glieder aus winzigen menschlichen Gestalten bestanden, die bruchlos ineinander übergingen: An einem Ende der Sequenz war ein Baby mit rosafarbenen Fingern und Zehen, am anderen Ende ein alter Mann, gebeugt und hager.
    »Dein Objekt ist Michael Poole, nicht wahr? Ich beneide dich. Obwohl es kein Zufall ist, dass dir eine historisch so bedeutende Persönlichkeit zugeteilt wurde.«
    »Nein?«
    »O nein. Wir – ich meine, die Räte des Commonwealth – behalten dich schon seit langem im Auge, Alia.«
    Ein Schauer überlief sie. Und sie wusste immer noch nicht, was er wollte.
    »Ich freue mich jedenfalls zu sehen, dass du mit dem Beobachten fortfährst.«
    »Tut das nicht jeder?«
    »Leider nicht. Obwohl wir alle unsere Pflichten haben: Beobachten heißt, an der von der Transzendenz angeordneten Erlösung teilzuhaben.« Als er den Namen aussprach, neigte Reath den Kopf.
    Alia wusste, dass es stimmte: Nicht jeder betrieb das Beobachten mit dem erforderlichen Engagement. Sie hingegen war stets von dem ihr zugeteilten Beobachtungsobjekt fasziniert gewesen; andere, selbst ihre Schwester, fanden sie deshalb ein bisschen zu ernsthaft, und im Interesse ihrer Beliebtheit hatte sie gelernt, nicht darüber zu reden.
    Reath langte in den Tank und berührte die fleischfarbene Kette nah an einem Ende. Dieses »Glied« wurde ausgeschnitten und vergrößert und erwachte zum Leben, und der Tank füllte sich mit dem Licht einer fernen Sonne, einem verschwundenen Strand. Ein kleiner Junge spielte; er warf bunte Scheiben in die Luft. Ein Lichtfunke stieg in den Himmel, vielleicht eine Rakete; er zog einen Kondensstreifen hinter sich her. Der Junge hörte auf zu spielen, beschirmte die Augen mit der Hand und schaute dem Lichtfunken nach.
    »Meine Geschichtskenntnisse sind ein wenig eingerostet«, sagte Reath leise. »Ist dieser Poole nicht in Baikonur aufgewachsen? Oder war es Florida? Einer dieser paläontologischen Raumhäfen…«
    »Ich beobachte ihn gern in seinen Kindheitstagen«, platzte Alia heraus. »Er ist so voller Leben. Voller Ideen. Ständig bastelt er an irgendwas herum, wie zum Beispiel an diesen Spielzeug-Dingern. Er hat Löcher hineingeschnitten und ihre Form verändert, damit sie besser fliegen.«
    »Ja. Die formlosen Träume der Jugend, die so schnell den Komplexitäten und Kompromissen des Erwachsenenalters weichen. Aber sein Leben war so kurz. Als Poole so alt war wie du, war sein Leben wahrscheinlich schon halb vorbei. Die meisten von ihnen konnten nur einen einzigen Beruf ergreifen, nur einen einzigen wichtigen Beitrag leisten, bevor…« Reath schnippte mit den Fingern. »Stell dir das vor! Aber wir, die wir im Vergleich dazu so viel Zeit haben, entscheiden uns oftmals dafür, gar nichts zu tun.«
    Er versuchte, sie zu rekrutieren, rief Alia sich ins Gedächtnis. Aber wofür? »Weshalb sollte ich arbeiten wollen, sei es für euch oder sonst wen?«
    »Das ist ein stichhaltiges Argument«, sagte Reath. »Welche Belohnung kann es in unserer Gesellschaft des unbegrenzten materiellen Reichtums geben? Hast du schon einmal etwas von Geld gehört, mein Kind?«
    »Nur in historischen Zusammenhängen.«
    »Ah ja.« Er drehte sich zu ihrem Beobachtungstank um. »Zu Pooles Zeit gab es noch Geld, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Und Poole selbst hat gearbeitet.«
    »Er war an einem der großen Geotech-Projekte beteiligt.«
    »Ja«, sagte Reath. »Die mühseligen Versuche, den großen Flaschenhals seiner Zeit zu überwinden. Aber was hat Poole deiner

Weitere Kostenlose Bücher