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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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weitergeflogen, und die Besatzung hatte das Schiff immer wieder umgebaut, bis es die dichten Molekülwolken durchquert hatte, die den Kern der Galaxis vor den Blicken von der Erde abschirmte, und in ein neues, kaltes Licht hinausgetreten war.
    Und eine halbe Million Jahre waren vergangen.
     
    Das Zuhause der Schwestern war eine Ansammlung blasenförmiger Räume an der Unterseite der keramischen Hülle der Nord. In diese uralte Fläche waren Fenster geschnitten worden, sodass man von Alias Zimmer in den Weltraum hinausschauen konnte. Das Zimmer war klein, aber es war eine angenehme Zuflucht, die sie immer sehr geschätzt hatte.
    Heute war jedoch ein Besucher da. Ein Eindringling.
    Es war ein Mann, ein Fremder. Er stand schweigend mitten im Raum, die Hände auf dem Rücken. Ihre Mutter, Bel, stand händeringend neben dem Besucher.
    Der Fremde war groß, so groß, dass er sich bücken musste, um nicht an die Decke zu stoßen. Er trug ein tristes, blassgraues Gewand, das trotz seiner Größe und seiner steifen Körperhaltung bis zum Boden reichte. Sein langes Gesicht bestand nur aus Flächen und scharfen Knochenkanten, als hätte er kein Gramm überschüssiges Fett unter der Haut. Die kurzen Arme waren zu steif zum Klettern; er war ein Planetenbewohner. Er hielt auf subtile Weise Abstand zu den Möbeln, zu Alias Bett, ihren Stühlen, ihrem Tisch und dem Beobachtungstank, die alle mit Kleidungsstücken und anderem Zeug übersät waren, und sah Alia mit freundlicher, beinahe belustigter Miene an. Aber Alia fand, dass er etwas Distanziertes an sich hatte, wie er sie betrachtete, so als wäre sie ein Labortier.
    Es gefiel ihr nicht, dass dieser taxierende Fremde in ihrem Zimmer stand und sich ihre Sachen ansah. Groll loderte in ihr auf.
    Das Gesicht ihrer Mutter war gerötet, und sie wirkte angespannt und aufgeregt. Es brauchte einiges, um eine Zweihundertjährige so sichtbar aus dem Häuschen zu bringen. »Alia, das ist Reath. Er ist von weit her gekommen, um dich zu besuchen. Er kommt vom Commonwealth.«
    Der Mann, Reath, trat mit ausgebreiteten Armen vor. »Tut mir Leid, dass ich einfach so hier eindringe, Alia. Es ist schrecklich ungehörig. Und es wird sicher ein Schock für dich sein. Aber ich bin hier, um dir eine Chance zu bieten.«
    Sie konnte nicht sagen, wie alt er war. Aber schließlich konnte man das bei niemandem sagen, der das Alter von etwa dreißig Jahren überschritten hatte. Er war jedoch anders, dachte sie. Er hatte etwas Regloses an sich, als hätte er gewichtigere Sorgen als die Menschen in seiner Umgebung.
    »Was für eine Chance?«, fragte sie argwöhnisch. »Geht es um einen Job?«
    »In gewissem Sinn…«
    »Ich will keinen Job. Niemand arbeitet.«
    »Manche schon. Sehr wenige«, sagte er. »Vielleicht wirst du zu ihnen gehören.« Seine Stimme war tief und unwiderstehlich, sein ganzes Gebaren wirkte hypnotisierend. Sie hatte das Gefühl, dass er sie auf einen Weg lenkte, den sie vielleicht gar nicht einschlagen wollte.
    Dann merkte sie, dass ihre Mutter fort war. Sie war aus dem Zimmer geschlüpft, während Reath sie abgelenkt hatte.
    Reath wandte sich ab und lief im Zimmer umher, die Hände immer noch hinter dem Rücken verschränkt. »Du hast Fenster. Die meisten Menschen würden sich lieber verstecken, sich in der Menschenwelt vergraben und vergessen, dass sie auf einem Sternenschiff sind. Aber du nicht, Alia.«
    »Meine Eltern haben die Wohnung ausgesucht«, sagte sie. »Nicht ich.«
    »Ja, mag schon sein.« Mit einem eleganten Finger fuhr er leichte Schatten an der Wand nach, ein wirres Linienmuster aus Rechtecken, Hexagonen, Ovalen und Kreisen. Im Laufe der sich verändernden Raumnutzungen auf der Nord waren dort Fenster ausgeschnitten, wieder verschlossen und erneut ausgeschnitten worden, und jede dieser Reparaturen hatte eine geisterhafte Spur hinterlassen. »Und diese Nutzungsnarben? Stören sie dich nicht?«
    »Weshalb sollten sie?« Tatsächlich gefiel ihr die Geschichtsträchtigkeit, die ihr die kaum merklichen Narbenmuster vermittelten, die Vorstellung, dass sie nicht die Erste war, die hier lebte, die diese Luft atmete.
    Er nickte. »Sie machen dir nichts aus. Obwohl diese einander überlagernden Narben dir das Gefühl geben müssen, dass alles vergänglich und flüchtig ist – die Jugend, die Liebe, selbst deine eigene Identität. Ich will nicht herablassend sein, Alia, aber du bist wohl noch zu jung, um zu wissen, wie selten das ist. So wie die meisten Menschen ihren Ort im Raum

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