Transzendenz
wolkenlos und von einem hellen Blau. Tom war mit Sonia da, außerdem Shelley und ihre Leute sowie Makaay und eine Reihe von EI-Mitarbeitern, die ich größtenteils zum ersten Mal sah. Vander Guthrie war ebenfalls erschienen. Seine blauen Haare standen unter seiner Pelzmütze hervor; sie sahen wirklich lächerlich aus. Wir drängten uns zusammen, eingepackt in schwere Kunstpelzmäntel und Mützen im russischen Stil, die uns von EI zur Verfügung gestellt worden waren. »Wir sehen alle wie Bären aus«, scherzte Shelley, obwohl es in diesem Gebiet seit Jahrzehnten keine Bären mehr gab, weder Eisbären noch andere.
Tom und ich umarmten uns unbeholfen, Vater und Sohn, wieder vereint in dieser industriellen Brache. Tom hatte mir nicht viel zu sagen. Ich stand nach wie vor in Ungnade, weil ich es gewagt hatte, mit Tante Rosa zu sprechen, und ich verzichtete lieber darauf, ihm zu erzählen, dass ich nächtens den Geist seiner Mutter verfolgt hatte. Das Übliche eben. Von Sonia bekam ich jedoch einen Kuss auf die Wange.
Ein Kapselbus kam, um uns aufzulesen. An der Küste stiegen wir aus in einen kalten Wind, der vom Meer hereinkam und geradewegs durch unsere Kleider fuhr. Wir schauten uns um.
Das zentrale Element unserer Hydrat-Stabilisierungsanlage war in den Rumpf einer Bohrinsel eingebaut worden. Wir konnten sie von hier aus sehen, ein klobiges, monochromes Gebilde, das vielleicht zwei Kilometer vor der Küste aufragte.
Auf einer kleinen, niedrigen, stark erodierten Klippe war ein Zelt errichtet worden, eine hell erleuchtete Kuppel aus einem transparenten Stoff, von der aus man einen guten Blick auf die Bohrinsel hatte. Hier würden wir die feierliche Inbetriebnahme der Anlage miterleben. Sofern uns das ganze Ding nicht um die Ohren flog, würden wir anschließend in kleinen Gruppen mit dem Hubschrauber hingebracht werden, damit wir uns alles aus nächster Nähe anschauen konnten. Es war eine gut durchkonzipierte Show.
Wir schoben uns durch eine Art Luftschleuse ins Zelt, vorbei an den aufmerksamen Blicken kräftiger Wachleute von EI, und legten unsere Mäntel ab; ich war froh, wieder im Warmen zu sein. Ein schwebender Roboter bot mir Alkohol oder heiße Getränke an. Ich nahm ein Gläschen Scotch und einen großen Becher dampfenden Latte und entfernte mich von den anderen, um mir die Szenerie anzusehen.
Vielleicht fünfzig Personen wimmelten in diesem Zelt herum, meist Angestellte von EI oder Kolleginnen und Kollegen von Shelley. Die Buchhalter und anderen Verwaltungsleute trugen zerknitterte Anzüge, aber die Ingenieure waren meist lässiger gekleidet, in Jacketts und Jeans. Alles wurde streng überwacht von fußballgroßen, in der Luft schwebenden Drohnen und einem feineren Dunst aus Mikrodrohnen, einem glitzernden Staub, den man nur bei genauem Hinschauen bemerkte.
»Eine eindrucksvolle Szenerie. Und alles meinetwegen.« Die wohl tönende Frauenstimme war mir gut bekannt.
Ich drehte mich um und sah Edith Barnette neben mir stehen, mit einem stolz strahlenden Ruud Makaay an ihrer Seite. Barnette trug ein mittellanges schwarzes Kleid; ihre Beine waren dünn und blass, die Füße steckten in klobig aussehenden Schuhen. Sie war überraschend groß und hatte ein grobknochiges Gesicht mit kräftiger Kinnpartie. Ihre runzlige Haut war zu einem hellen Goldton gebräunt, und ihr zu einem dichten Helm gespraytes Haar war kompromisslos weiß. Aber sie stand aufrecht da, die Augen waren hell und wachsam, und wenn sie sprach, klang ihre Stimme so angenehm wie eh und je.
An der Seite des einzigen heutigen VIPs war Makaay in seinem Element. Sein blondes Haar glänzte im hellen Licht. »Nicht ausschließlich Ihretwegen, Frau Vizepräsidentin, obwohl Sie natürlich mehr als willkommen sind.« Er umriss seine Pläne und erklärte, dass dies heute nur ein Probelauf war, bevor wir uns einem unnachsichtigeren Publikum stellten.
»Dann werde ich gewiss eine Menge konstruktive Kritik üben«, meinte Barnette.
»Die nehme ich gern entgegen. Verzeihen Sie, ich muss auf die Bühne.« Er verbeugte sich und verschwand.
»Also, Mr. Poole«, sagte Barnette zu mir. »Das alles war Ihre Idee, das Stabilisierungsprojekt?«
»Ja, vielleicht. Ich habe die richtigen Fragen gestellt. Aber bei den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite, lag es in der Luft. Früher oder später hätte jemand die Notwendigkeit erkannt, die…«
»Ach, reden Sie nicht drumherum, Mann, dafür habe ich keine Zeit.« Sie fixierte mich mit einem leicht gekrümmten
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