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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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neigte sie dazu, nicht geschmeidig zu reagieren wie Gummi, der sich unter Druck verformte, sondern zu reißen und – wie bei der Sahara – abrupt von einem stabilen Zustand in den anderen überzugehen. Die Welt war voller Systeme, die, wenn man es zu weit trieb, eine »abrupte und irreversible Veränderung« durchlaufen würden, wie Makaay es formulierte: Er führte das mögliche Ausbleiben des Golfstroms und die Entstehung eines permanenten El-Niño-Sturms an, der die Regenwälder austrocknen und überall in den Tropen Wüsten erzeugen könnte.
    »Wir wissen, dass wir die Hydratlager stabilisieren müssen«, sagte Makaay. »Aber dies wird nicht das letzte Mal sein, dass wir in großem, ja sogar globalem Maßstab eingreifen müssen, wenn wir sicherstellen wollen, dass die Systeme der Erde nicht in einen Zustand übergehen, der den Planeten für uns unbewohnbar macht. Wir müssen lernen, mit der Erde, unserer Heimat, auf effiziente Weise umzugehen, während wir sie zugleich in Ehren halten…«
    Edith Barnette beugte sich zu mir herunter und flüsterte: »Hübsche Präsentation. Der Blick auf die grüne Sahara hat mir gefallen – so ein unerwartetes positives Bild ist schon in Ordnung. Aber jetzt klingt es wie ein Geschäftsbericht von EI. Ich würde ihm raten, künftig schneller zum Punkt zu kommen.«
    Makaay zeigte uns jetzt vergrößerte Aufnahmen unseres neuen Babys, eines glänzenden, zufrieden wirkenden Maulwurfs. Die Maulwürfe waren einzeln getestet worden, aber heute sollte der erste integrierte Probelauf des Systems insgesamt stattfinden. Ein Dutzend Maulwürfe würden in ausrangierte Bohrlöcher geworfen werden, um mit der Konstruktion eines Verbundnetzes zu beginnen, sich in den Hydratschichten zu verteilen, über Sonar und andere Kommunikationskanäle miteinander zu plaudern und die komplexen Schleifen zu schließen, durch die der flüssige Stickstoff fließen sollte.
    Die Kondensations- und Verflüssigungsanlage war fürs Erste auf der zentralen Ölplattform untergebracht. Aber das war nur eine provisorische Lösung für diesen Machbarkeitsbeweis-Piloten; in Zukunft würden U-Boote »draußen in der Wildnis«, wie Makaay es ausdrückte, Verflüssigungs- und Kondensationsanlagen auf dem Meeresboden installieren und sie mit den darunter liegenden Tunnels der Maulwürfe verbinden. Und so würde das Netz wachsen und sich im Meeresboden ausbreiten, bis der Pol umschlossen war.
    Wir bekamen Live-Bilder der alten Bohrinsel ein paar Kilometer vor der Küste zu sehen, wo unsere Stickstoff-Verflüssigungsanlage installiert worden war. Große Flüssigstickstofftanks glänzten in der Sonne, Reif funkelte auf ihren Oberflächen.
    In der Ecke unseres Bildes erschien eine Countdown-Uhr und begann, die Sekunden bis zur Einführung der ersten Maulwürfe wegzuticken. Stille senkte sich über den Raum, als die Show die Atmosphäre eines Raketenstarts bekam, eine schöne Erinnerung an meine Kindheit. Makaay ließ aber auch keinen Trick aus, dachte ich respektvoll.
    Auf der Uhr waren es noch ungefähr fünf Minuten, als Morag mir erneut erschien.
     
    Ich sah sie durch die transparente Zeltwand, draußen auf dem kalten, toten Boden: die schlanke, hoch gewachsene Gestalt, der unverkennbare Schopf rotblonder Haare.
    Ich ließ die Vizepräsidentin einfach stehen und lief zum Ausgang. Hinter mir sprach Ruud Makaay unbeachtet weiter. Köpfe drehten sich, als ich vorbeikam, besorgte Mienen.
    Tom holte mich vor dem Ausgang ein. »Dad. Was zum Teufel tust du?«
    Ich zeigte hin. »Siehst du sie nicht?«
    »Ich sehe – etwas. Eine Frau da draußen. Na und?«
    »Du weißt, wer das ist. Komm schon, Tom. Ich muss einfach damit klarkommen.«
    »Du meinst, ich muss.«
    Ich verspürte eine kalte Entschlossenheit. »Ja. Das musst du. Denn wenn du sie siehst, erscheint sie dir auch.«
    Am Ausgang sah ich mich einer Wachfrau von EI gegenüber, einem echten Muskelpaket. Sie machte ein verwirrtes Gesicht, aber ihre Aufgabe bestand darin, Leute draußen zu halten, nicht, sie einzusperren, und so trat sie beiseite. Ich zwängte mich durch die Luftschleuse ins Freie, nur mit meinem dünnen Anzug am Leib. Es war mörderisch kalt. Regentropfen waren in der Luft, aber vielleicht war es auch salzige Gischt vom Meer.
    Ich schaute mich um und versuchte mich zu orientieren. Um dorthin zu gelangen, wo Morag gestanden hatte, musste ich rechter Hand ums Zelt herumlaufen. Ich rannte in diese Richtung, ohne mich zu vergewissern, ob Tom mir folgte. Ich

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