Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Logik der Erlösung. Der Zweck war Sühne, nicht nur für einen Teil der Vergangenheit, für einen Teil des in ihr enthaltenen menschlichen Leids, sondern für alles. Und wie war das stückchenweise zu erreichen? Also würde Alia, wie jeder Beobachter, jedes Menschenleben durchleben müssen, das ihrem vorangegangen war: das von Michael Poole, seinem zweiten Sohn, seiner Familie, seinen Vorfahren und deren Vorfahren bis zurück zur Entstehung der Menschheit, vielleicht hundert Milliarden – und nach ihm das all seiner Nachfahren bis zur mächtigen, die Galaxis umspannenden Triumph-Generation und noch weiter. Und in der Zukunft würden all diese Beobachter selbst beobachtet werden müssen – und dann würde es Beobachter geben, die die Beobachter dieser Beobachter beobachteten – und immer so weiter, eine rekursive Kette von Beobachtern über Beobachtern.
    Die fundamentale Logik besagte, dass jeder Mensch, jeder Unsterbliche, das Leben jedes anderen durchleben und seinen Schmerz in sich aufnehmen sollte.
    »Die Effizienz des Prozesses lässt sich zweifellos noch steigern«, sagte Leropa ungerührt. »Aber die Anzahl der Begegnungen ist immer endlich. Und Endlichkeit schrumpft angesichts der Unendlichkeit zu nichts zusammen.«
    Alia erinnerte sich an Reaths ernste, traurige Stimme: Um die Transzendenz zu verstehen, musst du die Unendlichkeit verstehen, Alia. »Aber all dieser Schmerz, der sich immer wieder vervielfacht, kombinatorisch, für immer.«
    Leropa breitete die Hände aus. »Das ist Sühne. Sühne muss schmerzen. Was kann bei einem Geschöpf von unendlichem Potenzial wie der Transzendenz anderes als Sühne dienen, als einen unendlichen Preis zu bezahlen?«
    Alia wich zurück. Das ist Wahnsinn, dachte sie, aber sie wagte nicht, es laut auszusprechen. »Ich will das nicht.«
    Leropas Stirnrunzeln vertiefte sich. »Du ziehst den Tod dem Leben vor? Die Kleinheit der Unendlichkeit? Bist du sicher?«
    »Ich bin noch nicht bereit.«
    Leropa neigte den Kopf. »Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Aber ich werde hier sein und auf dich warten. Für immer. Und vergiss nicht«, rief sie, »die Erlösung hat noch mehr Stufen, von denen du bisher nichts gesehen hast…«
    Alia drehte sich um und lief zur Fähre.
    Es war eine gewaltige Erleichterung, wieder in die Umlaufbahn zurückzukommen. Aber Drea hatte Neuigkeiten von der Nord – schlechte Neuigkeiten.

 
42
     
     
    Wir trafen uns, um zu besprechen, was wir tun sollten: Georges noch lebende Angehörige, John, Tom, meine Mutter, ich, sogar Rosa, wir alle drängten uns wie VR-Hexen hinter Georges Rücken zusammen.
    Keiner von uns, so hatten wir erfahren, sollte nach England fliegen. George hatte unmissverständlich klar gemacht, dass ihm jegliches Tamtam lästig wäre und wir uns seinetwegen bloß nicht in Unkosten stürzen sollten. Er wolle nicht einmal VR-Besuch, sagte er. Wir hätten alle unser eigenes Leben zu führen, und so weiter, und so fort. Ich glaube nicht, dass irgendjemand darauf hereinfiel. Aber der Bursche war schließlich siebenundachtzig, und er war todkrank; da hatte er wohl das Recht, ein wenig Konfusion anzurichten.
    Wir mussten ihn natürlich sehen, zumindest virtuell. John erklärte sich bereit, noch einmal in die Tasche zu greifen. Aber VR hin oder her, wir beschlossen, ihn nicht alle zusammen aufzusuchen; das wäre uns wie eine Vorwegnahme der Beerdigung erschienen, die den Ärzten zufolge kein Jahr mehr auf sich warten lassen würde. Wir würden ihn einer nach dem anderen oder höchstens zu zweit besuchen. Tom ging als Erster, zusammen mit Sonia. George würde Toms Lebensgefährtin sicher kennen lernen wollen, aber er hatte auch seinen Stolz; wir wussten, dass er ihr lieber gegenübertreten würde, solange er noch imstande war, sich entsprechend zu präsentieren.
    Während Tom ihn besuchte, setzte ich meine Arbeit am Hydratprojekt in Alaska fort. Rosa und Gea analysierten weiterhin die übernatürlichen Erscheinungen, aber ich verwendete für eine Weile keine Zeit mehr auf Morag. Mein Morag-Problem hatte tendenziell immer dazu geführt, dass wir uns stritten, ich und John, Tom und ich; es entzweite uns. In einer Zeit wie dieser schien das alles belanglos zu sein, eine Ablenkung, unabhängig von den erstaunlichen Implikationen.
    Eine Woche nach Toms Besuch reiste ich dann selbst per VR nach England.
     
    George freute sich, mich zu sehen. Das war offensichtlich, schön und schmerzhaft.
    Zu meiner Überraschung wollte er auch diesmal wieder

Weitere Kostenlose Bücher