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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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ich im Grunde nicht gewusst, was ich tat, aber ich war instinktiv systematisch vorgegangen. Ich hatte Buch geführt und sogar kleine Handy-Filme über das Flugverhalten meiner Frisbees vor und nach der Modifikation gemacht. Wie das bei Kinderhobbys so ist, hatte es nicht lange angehalten, doch als George uns in jener Zeit besucht hatte, hatte er immer Interesse daran gezeigt.
    »Aber was du nicht weißt«, sagte ich jetzt zu ihm, »ist, dass die Frisbee-Spielerei mir eine meiner ersten beruflichen Chancen verschafft hat.«
    In meinem letzten Jahr am College suchte ich zufällig einmal im Internet nach Frisbees. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass noch immer niemand herausgefunden hatte, wieso ein Frisbee flog. Nicht nur das, es gab auch praktische Anwendungsmöglichkeiten für ein solches Wissen, denn man wollte planetare Sonden, deren Ziel Welten mit einer Lufthülle wie der Mars, die Venus oder Titan waren, der Stabilität halber in Drehung versetzen – sie waren sündteure Hightech-Frisbees, die in unbekannte Atmosphären segelten und auf der Basis eines erschreckend geringen Wissens darüber, weshalb sie wirklich flogen, in ihr Verderben geschickt wurden.
    »Also grub ich noch mal mein zehn Jahre altes Hobby aus«, sagte ich zu George. »Und ich schlug die Theorie nach, soweit es eine gab. Eine Frisbee-Scheibe hat Auftrieb wie eine Tragfläche, aber die Vorderseite der Scheibe hat für gewöhnlich mehr Auftrieb als die Rückseite, wodurch sie instabil wird. Im Gegensatz zu einer Flugzeugtragfläche rotiert sie jedoch, sodass der ungleichmäßige Auftrieb wie ein Finger ist, der ein rotierendes Gyroskop anstupst; er lenkt die Frisbee-Scheibe von ihrem Kurs ab, statt sie vollständig ins Trudeln geraten zu lassen. Aber ich stellte fest, dass niemand über grobe Daumenregeln hinausgekommen war.
    Jedenfalls versuchte ich herauszufinden, wie ein Frisbee wirklich fliegt. Dabei ging ich weit über meine Möglichkeiten als Kind hinaus. Ich besorgte mir ein paar Sachen aus meinem College-Labor und rüstete ein Frisbee mit einem Blackbox-Recorder aus.« Ich hatte einen kleinen Beschleunigungsmesser installiert, um die auf die Scheibe einwirkenden Kräfte zu messen, außerdem ein Magnetometer und einen Lichtsensor, damit ich ihre Position im Vergleich zur Sonne und zum Magnetfeld der Erde verfolgen konnte, und einen Computer-Chip. Bald war ich imstande, alle relevanten Flugdaten aufzuzeichnen und den Flug in aller Ruhe in einer simplen VR-Umgebung zu reproduzieren. Und als meine Professoren später Interesse an meiner Arbeit zeigten, ging ich noch weiter, indem ich beispielsweise die Oberfläche eines Frisbee mit Sensoren beschichtete, um den Druck und den Luftstrom ganz genau zu messen.
    »Es dauerte nicht lange, dann hatte ich die groben aerodynamischen Koeffizienten herausgefunden«, sagte ich. »Um das Flugverhalten zu optimieren, muss man die Rotationsrate an die Fluggeschwindigkeit und den Angriffswinkel anpassen. Aber was noch wichtiger ist, ich entwickelte allmählich ein Verständnis für die Druckverteilung auf der Oberfläche der rotierenden Scheibe, und es gelang mir, Methoden zu entwickeln, wie man sie am besten regulieren konnte, zum Beispiel mit kleinen Klappen und Löchern zur Steuerung des Luftstroms. Die NASA führte natürlich ganz ähnliche Studien durch, aber sie arbeitete mit rotierenden Modellen in Windkanälen. Ich erzielte bessere Ergebnisse – und obendrein auf weitaus kostengünstigere Weise –, indem ich ein Frisbee einfach in Sensoren erstickte und sie draußen fliegen ließ.« Am Ende wurde aus der Hobby-Studie eine Semesterarbeit, die von der NASA fortgeführt und finanziert wurde. Es machte sich ganz hervorragend in meinem Lebenslauf, als es so weit war, dass ich mir einen Job suchen musste.
    »Das wusste ich alles nicht«, sagte George. Er grinste. »Du hast es also geschafft, dein berufliches Fortkommen mit ganztägigem Frisbee-Spielen zu kombinieren. Mein Respekt vor dir wächst.«
    Ich zuckte die Achseln. »Ein bisschen Spaß muss schon dabei sein.«
    »Unbedingt.«
    Ich wusste, was ich als Nächstes sagen musste, obwohl es für uns beide schwierig war. »George – du hast dich immer für meinen Kram interessiert, ehrlich interessiert, als ich zehn oder elf war.«
    Wir wussten beide, was das bedeutete. Mein Dad hatte solchen Dingen wie Experimenten mit Frisbees immer ein wenig verständnislos gegenübergestanden. Hin und wieder hatte er zwar Frisbee mit mir gespielt. Aber

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