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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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endlich kam sie zu mir. Sie war ein Geschöpf von der Größe eines zehnjährigen Kindes, ihr Fell glänzte, wo es in Schichten über ihrer Haut lag. Ich konnte den Ausdruck in ihrem zerknautschten Gesicht kaum erkennen, dazu war sie zu fremdartig. Aber ich glaubte, Wärme in ihren Augen zu sehen.
    »Du fragst dich vermutlich, weshalb ich dich heute hergebeten habe«, sagte ich.
    John schnaubte. »Herrgott noch mal, Michael. Wie kannst du jetzt Witze machen?«
    »Ich mag deinen Humor, Michael Poole«, sagte Alia. »Auch wenn ich ihn nicht immer verstanden habe.«
    »So?« In meinem Kopf drehte sich alles; ich versuchte, aus ihren Worten schlau zu werden. »Du hast mich… äh… studiert?«
    »Wir nennen es beobachten«, sagte sie. »Ja, ich habe dich beobachtet, Michael Poole, dein ganzes Leben lang. Mein ganzes Leben lang.«
    »Dann kommst du also wirklich aus der Zukunft.« In Toms Ton lag eine gewisse Schärfe. »Für dich ist mein Vater tot, nicht wahr? Er ist ein Fossil, das du ausgegraben hast. Du kannst sein ganzes Leben lesen, wie ein Buch. Von der Geburt bis zum Tod. Für dich sind wir alle tot …«
    Sonia berührte ihn am Arm. »Immer mit der Ruhe, Tom.«
    »So ist das nicht«, sagte Alia. »Beobachten bedeutet nicht nur zuschauen, Thomas George Poole. Es bedeutet auch Verständnis und Anerkennung. Gemeinsames Erleben. Michael Poole, ich habe dein Leben, deine Siege, deinen Kummer miterlebt. Und nun lerne ich dich endlich kennen. Das ist mehr als eine Ehre. Es ist… Erfüllung.«
    Rosa schürzte die Lippen und nickte. Dass ich von der Zukunft beobachtet wurde, war eine der Möglichkeiten, die sie angedeutet hatte. Sie sah beinahe zufrieden aus; das Rätsel war gelöst.
    Aber ich fühlte mich zutiefst unbehaglich. Es war mehr als Befangenheit. Ich war ein Insekt, gefangen unter dem Objektträger eines Mikroskops, mein ganzes Leben ausgebreitet vor fremden Augen. »Und was ist mit Morag?«
    Alias Lächeln verflog. »Ich stehe vor dir, und du fragst nach Morag?« Ich konnte es nicht glauben. Sie klang verletzt.
    Zum ersten Mal, seit diese neue Erscheinung zu uns gekommen war, ergriff Rosa das Wort. »Tom hat Recht, nicht wahr? Dass du aus der Zukunft kommst?«
    Alia drehte sich zu ihr um. Ihr kleines Gesicht legte sich in Falten; es wirkte auf komische Weise fragend. »Es kommt darauf an, was du meinst. Kannst du die Frage noch einmal anders stellen?«
    Tom fragte vorsichtig: »Bist du auf der Erde geboren…?« Sein Mut schien ihn zu verlassen. »Ach, zum Teufel. Ich kann nicht glauben, dass ich auch nur eine solche Frage gestellt habe! Das ist ja wie in diesem alten Zeug, das du immer gelesen hast, Dad, es ist ein Klischee…«
    »Es ist für uns alle schwierig«, warf ich ein. »Versuch es nur, Tom.«
    Tom holte Luft und setzte noch einmal an. »Okay. Also, bist du auf der Erde geboren?«
    Alia schnaubte. »Sehe ich etwa so aus?… Entschuldigung. Ich bin auf einem Schiff namens Nord zur Welt gekommen.« Sie zögerte. Manchmal schien sie eine Weile zu brauchen, um das richtige Wort zu finden, als müsse sie auf einen verborgenen Datenspeicher zugreifen. »Ähm, einem Raumschiff.«
    »Aha«, sagte Rosa.
    John drehte sich zu ihr um. »Was soll das heißen, aha?«
    »Das erklärt die langen Arme, die hohe Brust. Die Evolution hat dafür gesorgt, dass Alia wie unsere Primaten-Vorfahren klettern kann – oder gut in niedriger Schwerkraft zurechtkommt.« Sie lächelte. »Unsere Vorfahren waren Affen, und unsere Nachfahren werden auch welche sein. Bischof Wilberforce dreht sich bestimmt im Grabe um.«
    »Nachfahren?« Das war ein zu großer Sprung für mich. »Alia – bist du ein Mensch?«
    »Natürlich bin ich ein Mensch.«
    Wieder schien sie verletzt zu sein, empört, dass ich überhaupt gefragt hatte. Seltsamerweise wirkte sie manchmal sehr jung, ja, sogar unreif, und schien sich leicht zurückgewiesen zu fühlen, besonders von mir. Ich kam zu dem Schluss, dass ich sehr taktvoll sein musste. Oder so taktvoll, wie man es bei einem Affenmädchen aus der Zukunft sein konnte. Welch ein Chaos, dachte ich.
    Alia fuhr fort: »Aber in meiner Zeit ist es anders. Die Menschen haben sich ausgebreitet. Wir sind eine Familie geworden.«
    »Über die Sterne?«, fragte Gea.
    »Über die Galaxis.«
    »Das ist die Expansion, die du erwähnt hast«, sagte ich. »Oder die Expansionen.«
    »Es gibt sehr viele verschiedene Arten von Menschen. Genau wie zu eurer Zeit.« Sie runzelte die Stirn. »Oder auch nicht. Ist es so? Tut

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