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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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genug in die Zukunft reisen – so wie Kolumbus einst versucht hatte, einen neuen Weg nach Osten zu finden, indem er weit genug nach Westen um die Krümmung der Erde herumgefahren war.
    Mir kam eine Erinnerung an etwas, was ich in Onkel Georges Manuskript gelesen hatte: Wenn die Zeit im Kreis verläuft, wenn die Zukunft mit der Vergangenheit verbunden ist, könnten dann Botschaften oder gar Einflüsse auf ihrer Kreisbahn weitergereicht werden? Wenn man die Hand in die fernste Zukunft ausstreckt, würde man dann irgendwann die Vergangenheit berühren? … George, oder jedenfalls seine seltsamen Freunde, hatten vielleicht intuitiv etwas von der Wahrheit erfasst.
    »Unsere Zeit muss seltsam für dich sein«, sagte Rosa. »Wenn du in einem Schiff zwischen den Sternen geboren bist. Unsere Lebensweise muss dir sehr fremdartig erscheinen.«
    »Oh, aber ich habe mich vorbereitet«, erwiderte Alia. »Im Verlauf meiner Beobachtungen. Man braucht die Erde nicht zu besuchen, um zu wissen, wie es dort gewesen sein muss!«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Tom.
    Alia breitete die Arme weit aus, und ihre langen Haare hingen wie Vorhänge herab. »Es gibt Dinge an mir, die nichts damit zu tun haben, dass ich in einem Schiff geboren bin. Ich mag freie Räume und weite Blicke. Ich mag weder umschlossene Räume noch fließendes Wasser, weder Ratten noch Spinnen, und auch kein Blut. Ich bin in der Schwerelosigkeit aufgewachsen, aber manchmal habe ich trotzdem Höhenangst! Das sind alles Reaktionen, die tief in meinem Organismus sitzen, wie auch im Organismus meiner Vorfahren, lange bevor sie die Erde verlassen haben. Ihr seht also, selbst wenn ich nichts über die Erde wüsste, könnte ich sie aus meinen eigenen Reaktionen rekonstruieren. Kulturen, die von ihren Ursprüngen abgeschnitten waren – Menschen, die vergessen hatten, woher sie gekommen waren –, haben das tatsächlich ein paar Mal gemacht. Selbst sie können einiges von der Erde aus sich ableiten.«
    »Erstaunlich«, sagte Rosa. »Ihr habt die Erde vor einer halben Million Jahre verlassen. Ihr seid zu den Sternen gereist. Und dennoch habt ihr die Savanne mitgenommen, nicht wahr?«
    Sonia sagte: »Du hast von Ratten gesprochen. Gibt es Tiere dort, wo du herkommst?«
    »Tiere? Überall sind Ratten. Aber sie singen nicht alle. Es gibt auch Insekten und Vögel.« Vögel lebten in hellen Scharen in ihrem Raumschiff, sagte sie; ich konnte mir kein exotischeres, bezaubernderes Bild vorstellen. »Die Biosphäre der Erde weist jedoch eine größere Artenvielfalt auf als jede andere Menschenwelt in der Galaxis. Das ist einer der Gründe, weshalb wir wissen, dass es wirklich die Erde ist, das Original.«
    »Wie Afrika«, sagte Rosa. »Dort gibt es eine größere genetische Variation. Was Afrika für uns ist, die Heimat der Menschheit, das ist die Erde für diese Menschen der Zukunft.«
    »Und es gibt immer noch Tiere auf der Erde?«, setzte Sonia nach.
    »Vögel. Schlangen. Insekten. Mikroorganismen. Das ist eigentlich alles.«
    »Das sind die Übertaxa«, sagte Gea. »Taxa haben unterschiedliche Evolutionsgeschwindigkeiten. Bei einigen verläuft die Artenbildung schneller als bei anderen; manche Familien bleiben länger bestehen als andere; und manche Taxa – die Vögel, Schlangen, Ratten und Mäuse, diverse Unkräuter – haben sowohl eine hohe Artenbildungsrate als auch eine enorm lange Lebensdauer. Wenn also ein Aussterbeereignis eintritt, stellen die Übertaxa die großen Überlebenden. Was Alia beschreibt, ist genau das, was ich auf einer Erde der Zukunft nach unserem Aussterbeereignis zu finden erwartet hätte. Schlangen, Ratten und Vögel.«
    »Aber keine großen Tiere?«, fragte Sonia.
    »Ich möchte euch etwas zeigen.« Gea ließ ein VR-Bild eines klobig wirkenden Tieres entstehen: ein Rhinozeros, aber mit zottigem braunem Fell.
    Alia machte große Augen. »Megafauna!«
    »Das ist ein Sumatra-Rhinozeros, stimmt’s?«, meinte Tom.
    »Ja«, sagte Gea. »Eine ungewöhnliche Form, an ein Leben in hügeligen Regenwäldern angepasst. Es ist Anfang dieses Jahres ausgestorben. Das Letzte seiner Art hat in einem Zoo in Deutschland gelebt.«
    »Ich habe so etwas noch nie gesehen.« Alia klang, als wäre dieses Geschöpf für sie so exotisch wie ein Dinosaurier. Sie warf mir einen Blick zu. »Du, Michael?«
    »Mit wilden Tieren kenne ich mich nicht so aus«, sagte ich. »Wenn du mir mein Leben lang überallhin gefolgt bist, wirst du das wissen.«
    Gea sagte: »Das Sumatra-Rhinozeros war

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