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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihre Hüften wirkten seltsam, sie waren schmal, mit einer merkwürdigen Geometrie. Vielleicht hatte sie Ähnlichkeit mit unseren fernen Vorfahren, dachte ich, den ersten Australopithecinen, nicht lange nach ihrer Abspaltung von den Schimpansen.
    Sie richtete sich auf und musterte uns erneut.
    Wir starrten sie alle nur an. Johns Entsetzen schien am größten zu sein, aber er hatte ja auch eine Menge Grund dazu. Seine Welt war immer sehr ordentlich gewesen; er hatte schon genug Probleme damit gehabt, sich an die Vorstellung von Geistern und reinkarnierten toten Ehefrauen zu gewöhnen. Und nun das. Doch selbst Rosa, von der ich geglaubt hatte, sie ließe sich von rein gar nichts aus der Fassung bringen, umklammerte ihre Gebetbücher.
    Und Alia starrte mich an, als wäre sie ebenso verblüfft, mich in Fleisch und Blut zu sehen, wie ich sie.
    Plötzlich lief sie ein paar Schritte auf Sonia zu. Wir zuckten alle zusammen, und Tom und Sonia klammerten sich aneinander. Alia stolperte nach zwei Schritten und blieb stehen. »Entschuldigung«, sagte sie in jener gekünstelten, verlangsamten Art. »Hohe Schwerkraft. Besser langsam gehen. Vergessen.« Sie machte ein, zwei behutsamere, nicht sehr anmutige Schritte; ich hatte den Eindruck, dass sie nicht ans Gehen gewöhnt war.
    Vor Tom und Sonia blieb sie stehen. Ich war stolz auf die beiden; sie erwiderten einfach nur ihren Blick. »Sonia Dameyer«, sagte sie.
    Sonia erstarrte.
    Dann wandte sie sich Tom zu. »Thomas George Poole. Tom. Ich habe dich aufwachsen sehen. Abweichende Pigmentierung.« Sie streckte erneut die Hand aus und strich zu meinem Entsetzen mit einer Fingerspitze über Toms Wange.
    Tom schlug ihre Hand weg. »Lass mich in Ruhe, Planet der Affen.«
    Alia fiel das Kinn herunter. Sie wirkte schockiert – auf einmal sah ihr Gesicht unter dieser Fellmaske sehr menschlich aus. »Habe ich dich gekränkt? Ich bitte um Entschuldigung. Es wird bestimmt nicht das letzte Mal sein, dass ich etwas falsch mache.«
    »Was ist los?«, fragte Sonia. »Gibt es dort, wo du herkommst, keine weißen Menschen?«
    Alia überlegte. »Vor der ersten Expansion der Menschheit hatte die Homogenisierung der Kultur auf der Erde die ohnehin schon geringfügigen Differenzen zwischen den ethnischen Gruppen eliminiert. Die Hautpigmentierung gehört zu den am leichtesten vererbbaren genetischen Merkmalen der Menschen, und die Unterschiede haben sich rasch verflüchtigt.« Ihre Stimme wurde allmählich besser, fand ich, ihre Grammatik präziser, ihr Ton kontrollierter. Aber dieses Zeug über die Hautpigmentierung klang gestelzt, als greife sie auf einen Datenspeicher zu. Sie lächelte Sonia strahlend an und zog an dem Fell in ihrem Gesicht. »Manche von uns haben überhaupt kein Hautpigment!«
    Tom fragte: »Was ist die ›erste Expansion‹?«
    »Die Zukunft«, zischte John. »Sie spricht von der Zukunft. Glaube ich.«
    Vielleicht hatte er Recht. Aber, dachte ich, wenn es eine »erste Expansion der Menschheit« gegeben hatte, dann musste es mindestens auch eine zweite, vielleicht sogar eine dritte gegeben haben. In diesem einen Ausdruck erspähte ich eine turmhoch aufragende Geschichte.
    Alia entfernte sich von Sonia. Als sie zu dem Gea-Roboter kam, bückte sie sich, streckte die Hand aus – und hob ihn auf. Sie drehte den Roboter hin und her, während Geas winzige Räder surrten. Ich war wie betäubt. Alia hatte die Exorzismus-Objekte angefasst, Toms Wange berührt und damit gezeigt, dass sie »real« war, so real, wie Morag es gewesen war. In Geas VR-Welt schien sie jedoch ebenso »real« zu sein. Vielleicht gab es dort, wo sie herkam, verschiedene Kategorien der Realität.
    Alia stellte den Roboter ab und hockte sich vor ihn hin. »Du bist Gea. Eine künstliche Intelligenz.«
    Gea rollte versuchsweise hin und her, als wollte sie überprüfen, ob ihre Räder noch funktionierten. »Du weißt schon alles über mich.« Irgendwie passte Geas aufgeblasene B-Film-Roboter-Stimme zu der Situation.
    »Ja, das stimmt.«
    »Dürfen wir dich scannen?«
    »Natürlich«, sagte Alia fröhlich. »Ihr tut es ja eigentlich schon.« Sie tätschelte Gea den Kopf. »Du bist so gut gearbeitet. Wir unterhalten uns später.«
    Gut gearbeitet? Dies war eine der höchstentwickelten künstlichen Intelligenzen des Planeten. Alia klang wie eine herablassende Museumsbesucherin, die die handwerkliche Qualität eines neolithischen Faustkeils aus Feuerstein bewunderte.
    Alia ging an John vorbei, der zurückwich.
    Und nun

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