Transzendenz
Gedanke.«
Tom grinste spöttisch. »Wie taktlos, in einem solchen Augenblick an kommerziellen Gewinn zu denken, Onkel.«
John ließ sich nicht aus der Ruhe bringen; solche Beleidigungen hatte er sein ganzes Leben lang ertragen. »Ich mache nur meinen Job. Wenn etwas dabei herausspringen könnte, haben wir doch wohl zuallererst Anspruch darauf, oder?«
Gea ging zu noch seltsameren Aspekten von Alias Anatomie über. Vieles von dem, was sie bisher beschrieben hatte, waren Extrapolationen des Menschlichen gewesen. Aber es gab Anzeichen für weitaus eigentümlichere Entwicklungen. Gea hatte harte, undurchdringliche Knoten in Alias Blutkreislauf aufgespürt, winzige Teilchen möglicherweise technologischer Natur, bei denen es sich vielleicht um ferne Nachfahren unserer heutigen Nanomaschinen handelte.
Und Alias Körper wies sogar Spuren anderer Lebensformen auf. So waren etwa bestimmte Abschnitte ihres Nervensystems mit einer Art Hülle von unbekannter Funktion überzogen – vielleicht diente sie zum Schutz vor Strahlung im interstellaren Raum. Sie war allem Anschein nach lebendig und basierte ebenso wie Alia selbst auf einer Aminosäuren-Chemie. Aber sie besaß nicht Alias Genom – es war überhaupt keine Spur von DNA darin zu finden.
»Fremdes Leben«, sagte ich langsam. »Nicht von der Erde, weil es nicht auf DNA beruht. Sie lebt in einer Art Symbiose mit außerirdischen Lebensformen.«
»So scheint es.«
Ein paar lange Sekunden saßen wir da und versuchten, diese neueste Information zu verdauen. Ich glaube, ich war der Fantasievollste, der Unvoreingenommenste von uns dreien. Aber selbst ich hatte damit zu kämpfen. Wir hatten es nicht nur mit einer Frau aus der Zukunft zu tun, sondern auch mit ET – und er saß nicht in einer fliegenden Untertasse und schaute mich an, sondern war um die Neuronen dieser fernen Nachfahrin gewickelt.
»Im weitesten Sinn sind das alles Indizien für einen Fortschritt«, sagte Gea nun. »Viele frühere Entwicklungen der Fähigkeiten des Lebens beruhten auf Symbiose, der Kooperation einer Lebensform mit einer anderen, oder sogar der Aufnahme der einen in die andere.« Selbst komplexe Zellen seien das Resultat einer solchen Verschmelzung, sagte sie. Mitochondrien, einst unabhängige Geschöpfe, fungierten jetzt als Miniaturkraftwerke in unseren Zellen.
»Als Nächstes könnten also weitere Verschmelzungen kommen«, sagte ich im Versuch, ihrem Gedankengang zu folgen. »Vielleicht vereinigen sich unsere Körper mit Maschinen, die Biologie mit der Technologie. Oder unsere auf der Erde entstandenen Lebensformen mit Leben aus einer gänzlich anderen Biosphäre, mit außerirdischem Leben.«
»So wie wir es bei Alia sehen«, bestätigte Gea.
John sah den kleinen Roboter finster an. »Ich glaube, es gefällt mir nicht, dass du mir erklärst, ich sei dieser Affenfrau unterlegen.«
»Wer soll es Ihnen dann erklären?«, hielt Gea dagegen.
Tom grinste, und ich unterdrückte ein Lachen.
John beugte sich über den Roboter. »Und was ist mit dir, Fünkchen? Wenn die Menschheit sich vorwärts und aufwärts entwickelt, was wird dann aus dir?«
»Vermutlich werden wir künstlichen Wesen unsere Rolle in eurer Entwicklung spielen«, sagte Gea so unerschütterlich wie immer. »Wir wissen, dass Alia tatsächlich weitaus intelligenter ist als jeder heutige Mensch. Bei allem Respekt. Dafür spricht ihr Monolog, ihre wahre Sprachen das beschleunigte Geplapper, das wir bei Morag aufgezeichnet haben. Ich vermute stark, dass sie auch im wahrsten Sinne bewusster ist als jeder heute lebende Mensch. Sie hat einen höheren Verstand und bestimmt auch ein höheres Ichbewusstsein. Manche Leute befürchten, künstliche Intelligenzen könnten die Menschen obsolet machen. Doch Alia zeigt uns, dass Menschen nicht so bald obsolet werden. Also, was ist geschehen? Vielleicht hat es eine Konkurrenz mit den Maschinen gegeben, einen Selektionsdruck, der zu einer Steigerung der Intelligenz geführt hat.«
»Vielleicht haben wir euch auch in uns aufgenommen«, erwiderte John. »Vielleicht bist du nur ein weiterer Symbiont.«
»Vielleicht. Aber es kann auch sein, dass wir beschlossen haben, uns nicht an einer solchen Symbiose zu beteiligen. Schließlich ist dies der große Vorteil der Intelligenz – Entscheidungsfreiheit. Und wenn das zutrifft, wer weiß, wie unser Schicksal aussehen wird?« Und sie rollte hin und her, ein halbes Kilo lackiertes Blech.
Später an diesem Tag sprach ich mit Rosa. Sie tauchte in
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