Transzendenz
Wir ließen sie noch einmal ablaufen.
Es fiel mir schwer, mir die Aufzeichnung immer wieder anzuhören, während wir alle in diesem Zimmer um eine abgewetzte Tischplatte saßen, mit Kaffeetassen, Wasserflaschen und Softscreens. »Ich kann nicht glauben, dass wir das tun. Es ist ein kalter Tag in Alaska. Ein Montag. Heute Morgen habe ich Cheerios gegessen, Kaffee getrunken und mir die besten Szenen aus Fußballspielen angesehen. Da draußen bringen die Leute ihre Kinder zur Schule, stecken die Wäsche in die Maschine und gehen zur Arbeit. Und wir reden hier darüber, wie wir mit der fernen Zukunft der Menschheit umgehen wollen. Sind wir alle verrückt?«
John grunzte. »Was meinst du mit wir? Soweit ich mitgekriegt habe, bist du derjenige, der von den Affenleuten vorgeladen worden ist.«
Shelley tippte auf einen Softscreen auf der Tischplatte. »Niemand ist verrückt«, sagte sie leise. »Ich habe Geas Aufzeichnungen und ihre Analyse von Alia, dem Schimpansenwesen, gesehen. Ich weiß nicht, was, zum Teufel, hier vorgeht. Aber es ist real.«
»Okay«, sagte Tom. »Aber selbst wenn man den ganzen Kram glaubt, müssen wir jetzt noch einen Schritt weitergehen. Wir müssen glauben, dass diese… Transzendenz, dieser Mischmasch aus Superhirnen, von meinem Dad gerettet werden will. Mein Dad, der da sitzt wie ein Fass Gänseschmalz, wird von der fernen Zukunft gerufen, um die Menschheit zu retten.«
»Hübsch formuliert, mein Sohn«, sagte ich.
»Das ist doch wieder so ein Klischee, Dad. Wie diese alten Geschichten, die du mir als Kind immer vorgelesen hast. Die dekadenten Menschen der fernen Zukunft brauchen unsere urwüchsige Kraft zu ihrer Rettung.«
»Damals haben dir diese Sachen gefallen«, verteidigte ich mich.
»Ja, als Geschichten. Aber nicht als Karriereschritt.«
Rosa, dunkel, konzentriert und ernst, sagte: »Shelley hat Recht. Wir alle haben Morag gesehen – so wie die ganze Welt. Und wir Pooles haben Alia gesehen. Unsere beste Strategie ist, davon auszugehen, dass alles, was man uns erzählt hat, den Tatsachen entspricht. Nehmen wir also an, dass Alia die Wahrheit sagt. Nehmen wir an, dass die gesamte in sich selbst zurückgefaltete menschliche Geschichte wirklich durch diesen Moment in das Gewissen eines Menschen geleitet wird, in das Gewissen von Michael Poole. Nehmen wir an, es ist wahr! Dann stellt sich die Frage, was wir in dieser Angelegenheit unternehmen müssen.«
John überraschte mich mit einem konstruktiven Beitrag. »In meinem Geschäft besteht der Schlüssel zum Erfolg darin, dass man herausbekommt, was der andere wirklich will – der Klient, der juristische Gegner, die Jury, ja sogar der Richter. Man hat vielleicht nicht vor, es ihm zu geben, aber wenn man weiß, was es ist, hat man die Chance, ihn zu manipulieren. Ich glaube also, wir müssen uns überlegen, was Alias ›Transzendenz‹, diese riesige, hoch entwickelte, zusammengesetzte Entität, wollen könnte.«
Shelley sah Material auf ihrem Softscreen durch. »Das ist nicht so leicht zu beantworten. Da Michael mich gebeten hat, an dieser Sitzung teilzunehmen, habe ich alte Hinweise darauf ausgegraben, wie sich Wesen der fernen Zukunft, oder vielleicht hoch entwickelte Aliens, unser Meinung nach verhalten würden, was sie tun würden. Und wisst ihr was? Mir scheint, wir haben nie etwas anderes getan, als uns selbst in den Himmel zu projizieren. Seht euch das an.« Sie spielte ein paar Tischplatten-VRs für uns ab. »Das hier sind Dyson-Sphären, Kulturen, die Welten zerstören, um ihre Sonnen zu umschließen und dadurch deren gesamte Energie bis auf den letzten Rest einzufangen. Und wozu? Lebensraum, unzählige Billionen Quadratkilometer Ellbogenfreiheit. Das ist nicht die Zukunft«, sagte Shelley, »das sind die auf den Himmel gemalten Sorgen des mittleren zwanzigsten Jahrhunderts in Bezug auf Energieversorgung, Demografie und Bevölkerungsexplosion. Und Dyson hat immer nur über die Infrastruktur einer Zivilisation gesprochen. Offenbar hatte er nicht allzu viel zu der Frage zu sagen, was eine hoch entwickelte Kultur mit diesem ganzen Raum anfangen sollte.«
Tom nickte. »Außer die Galaxis mit unzähligen Kopien ihrer eigenen Art anzufüllen. So wie wir es tun.«
Rosa sagte: »Aber es gibt andere Präzedenzfälle in unserer Geistesgeschichte der Versuche, die Motive übermenschlicher geistiger Wesenheiten zu analysieren.«
John schnitt eine Grimasse. »Ich habe das Gefühl, dass du gleich wieder so richtig theologisch
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