Transzendenz
Fleck, eine Münze auf dem Grund eines Teichs. Doch ich war sicher, dass sie es war. Ich wollte sie rufen, war mir aber der schlafenden Stadt um mich herum bewusst und konnte es irgendwie nicht. Es würde sowieso nichts nützen. Ich musste sie einholen; nur darauf kam es an.
Zum Teufel damit. Ich marschierte ins Wasser. Es stieg nicht höher als bis zu meinen Schienbeinen, aber auf dem Boden hatte sich eine Menge Schlamm und Müll angesammelt – vielleicht war der Straßenbelag hier aufgebrochen – und saugte an meinen Füßen. Bald atmete ich schwer, und mein Herz klopfte wie wild. Endlich kam ich aus dem Wasser heraus. Meine Füße und Beine waren patschnass und verdreckt. Ich war erschöpft, obwohl ich vom Hotel bis hierher höchstens einen halben Kilometer zurückgelegt hatte.
Ich sah die Brücke und dahinter den Burghügel mit dem Turm, jenem Überbleibsel der alten Normannenburg, eine kahle Silhouette vor dem Himmel. Aber Morag war von der Brücke verschwunden. In welche Richtung? Hatte sie den Hügel erstiegen? Wenn ich es schaffte, dorthin zu gelangen, konnte ich ihr vielleicht folgen.
Aus irgendeinem Grund war die Brücke am anderen Ende geschlossen. Die Flüsse wanden sich um beide Seiten des Hügels, und das Wasser stand hoch, war schaumig, blaugrau. Das Ufer war erodiert und von Sandsäcken gesäumt. Unter der Brücke reichte das Wasser fast bis zum höchsten Punkt der Bogen. Vielleicht sollte ich die Brücke überqueren. Oder mir einen anderen Weg zur Rückseite des Hügels suchen.
So angestrengt ich auch darüber nachdachte, ich kam zu keinem Ergebnis. Und ich sah sie nicht mehr. Ich stand einfach nur da, arg mitgenommen, schwer atmend, mit nassen Füßen.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«
Die Stimme kam mir sehr laut vor. Ich drehte mich um und sah einen jungen Mann von vielleicht fünfundzwanzig Jahren vor mir. Er schob ein Fahrrad. Unter einer Fleece-Jacke trug er eine blaue Uniform; vielleicht jemand vom Krankenhaus auf dem Weg zur Arbeit. »Sie sehen aus, als hätten Sie Schwierigkeiten gehabt.« Er sprach mit breitem Yorkshire-Akzent. Ich sah Argwohn in seinen Augen. Kein Wunder; ich muss seltsam ausgesehen haben.
Ich hörte eine Krähe schreien und schaute nach oben. Der Vogel kreiste über dem Turm auf dem Hügel. Plötzlich kam mir der Himmel heller vor; hohe Wolken waren mit Rosa durchsetzt.
»He…«
»Es geht mir gut«, sagte ich.
»Sind Sie Amerikaner?«
»Ja.« Ich schaute an mir hinab, auf das schmutzige Wasser, das aus meinen Schuhen troff. Ich versuchte, mir etwas auszudenken, was die Situation normalisieren würde. »Der Jetlag bringt einem die Schlafgewohnheiten ganz schön durcheinander, was?«
»Ja«, erwiderte er skeptisch. Er wandte sich ab und schob sein Rad weiter.
Ich hob den Blick zum Hügel. Er sah jetzt einfach wie ein Hügel aus, und die Burg war eine Ruine, nicht das Zentrum einer Art Labyrinth, als das sie mir noch vor einem Moment erschienen war. Von Morag war keine Spur zu sehen, aber das hatte ich nicht anders erwartet.
Der junge Mann schaute sich noch immer zu mir um. Wenn ich nicht wollte, dass er einen Polizei-Bot rief, sollte ich von hier verschwinden und mich säubern. Ich drehte mich zu der überfluteten Straße um. In der zunehmenden Helligkeit sah sie nicht mehr so einschüchternd aus. Ich ging zur Mittellinie der Straße und marschierte einfach schnurstracks durchs Wasser. Die Straße war abgesackt; dieser Tümpel musste schon lange hier sein. Aber das Wasser stieg nicht über meine Knie, und gleich darauf war ich auf der anderen Seite.
Als ich aufwachte, stand die Sonne hoch am Himmel. Nach hiesiger Zeit war es ungefähr Mittag. Ich erinnerte mich nicht, wie ich hierher gekommen war, von der überschwemmten Straße in mein Hotel. Das Ganze war wie ein Traum.
Aber ich lag auf meinem Bett, nicht darin, und obwohl ich mir die Schuhe abgestreift hatte, war meine Hose dreckig, mein Pullover war mit grünen Grasflecken beschmiert, und in die Tagesdecke des Bettes hatte sich Schmutz eingerieben. Die Hoteldirektion würde nicht erfreut über mich sein.
Eine Ecke des großen Wand-Softscreens blinkte. Eine Botschaft von John wartete auf mich.
Ich duschte zunächst einmal, machte mir einen Kaffee und aß ein Keks aus der Minibar. Dann setzte ich mich in meinen Sessel, das Gesicht zur Wand, und rief John an. Er ragte an der Wand über mir auf und war wütend – zweidimensional, fehlfarbig, aber wütend. »Lethe«, sagte er.
Mir fiel auf, wie er
Weitere Kostenlose Bücher