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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Angenommen, Gea hat ein Modell globaler Niederschlagsmuster«, sagte Vander, »und ein anderes über Meereserwärmung. Eines wirkt sich natürlich aufs andere aus. Aber um herauszufinden, wie, muss Gea die Niederschlagsmodelle auf ›realistische‹ Weise durch ihre Modellmeere ›steuern‹ lassen. Das ist keine Frage von Software-Protokollen, wissen Sie. Es ist, als wäre es real. Die Kommunikation zwischen Submodellen ist nicht symbolisch, sondern empirisch. Dadurch kann Gea einen viel größeren Erfahrungsreichtum, ja sogar ein reicheres Bewusstsein erlangen als wir. Verstehen Sie? Sie ist wie eine geistige Gemeinschaft, deren einzelne Elemente jedoch durch direkte empirische Kanäle verbunden sind.«
    Ich wechselte einen vorsichtigen Blick mit Shelley und achtete sorgfältig darauf, keine Miene zu verziehen. Der Computerfreak mit den blauen Haaren schien tatsächlich so etwas wie ein Mystiker zu sein. Dennoch hatte die Art, wie er all dies beschrieb, etwas sehr Bewegendes, als beneide er die komplexe Entität, in deren Dienst er sein Leben gestellt hatte.
    »Natürlich spielen Design-Philosophien nur auf der untersten Ebene des Geschöpfs eine Rolle, das wir Gea nennen«, fuhr er fort. »Man programmiert Gea nicht, ebenso wenig wie Ihre Mutter Sie programmiert hat. Meine Berufsbezeichnung lautet Animist. Denken Sie daran, wir haben es hier mit einem Geist zu tun, einem bewussten Wesen. Ich habe sie nicht designt; keiner von uns hat das getan. Ich kann nicht einmal unbedingt ihren Output messen. Wie kalibriert man Verspieltheit, Freude, Schönheit, Kummer und Angst?«
    »Und ihr könnt sie nicht kontrollieren?«, fragte ich ein wenig beklommen.
    »Weshalb gebrauchen Sie dieses Wort? Das ist ein Klimamodellierungssystem«, sagte Shelley verächtlich, »kein Killerroboter mit Laseraugen. Welchen Schaden kann sie schon anrichten?«
    Ich zuckte die Achseln. »Uns belügen? Wenn sie so schlau ist, woran sollten wir es dann merken? Und wenn wir dann die Flutsperre am falschen Ort errichten oder Algenblüten im Meer stimulieren, obwohl wir sie eigentlich eindämmen sollten…«
    Vander Guthrie lächelte ein wenig müde. Er hörte das alles nicht zum ersten Mal. »Der Frankenstein-Komplex? Ich würde mir keine Sorgen machen. Denken Sie daran, Gea ist wirklich intelligent. Und Intelligenz ist mit Verantwortungsbewusstsein verbunden. Mit einem Gewissen, wenn man so will. Glauben Sie mir, für ein so bewusstes Geschöpf wie Gea ist das wirklich ein starkes Hemmnis…«
    Das Bild fror ein. Vander hob eine Hand an sein Ohr, als hätte ihn jemand angerufen. Er grinste uns an. »Sie ist bereit, uns zu empfangen.«
     
    Auf dem Weg zum eigentlichen Sitz von Gea führte Vander uns über einen weiten, leeren Platz, auf dem es weder Bäume noch Bänke gab. Im Zentrum dieses Betonrunds stand ein Gebäude, eine wenig anziehende, fensterlose, gedrungene Schachtel. Während wir über den leeren Platz eilten, bemerkte ich die Kameradrohnen, die durch die Luft schossen, und vor meinen Augen tanzten kleinere Pünktchen im hellen Tageslicht – weitere winzige Sicherheitsdrohnen. Selbst der Boden unter unseren Füßen sah aus, als bestünde er aus intelligentem Material.
    Unterwegs redete Vander nervös auf uns ein. »Wie ihr seht, packen wir unsere Kleine ziemlich gut ein. Im Idealfall wäre sie verteilt oder läge vielleicht sogar unter der Erde. Aber die Logik ihrer Architektur macht das unmöglich.« Bei der Konstruktion eines superstarken Computers, der die höchsten Verarbeitungsgeschwindigkeiten anstrebte, achtete man immer auf geringe Distanzen, um die Lichtgeschwindigkeitsverzögerungen zwischen den Komponenten zu minimieren. Aber eben diese Dichte erzeugte ihre eigenen Probleme – so produzierte sie insbesondere eine enorme Wärmemenge, was zweifellos der Grund dafür war, dass Geas physische Manifestation hier draußen auf dem Erdboden festsaß. »Wir haben unser Bestes getan«, sagte Vander. »Dieser Block ist so robust wie die meisten Atomkraftwerke. Man könnte ein Flugzeug darauf abstürzen lassen, und wir würden es nicht mal merken.«
    Ich fühlte mich hier draußen schrecklich ungeschützt. Aber ich sah die Logik; diese von Sensoren gesättigte freie Fläche war so groß, dass niemand imstande gewesen wäre, eine Gerätschaft hinüberzuschmuggeln, die Schaden anrichten könnte. Vander warnte uns denn auch, unser Verhalten werde auf Indizien für »unangemessene Gefühle« überwacht. Ich hoffte, dass Ehrfurcht und

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