Trapez
richtig. Ich möchte irgendwann darüber reden. Ich bin irgendwie froh, dass es passiert ist, weil wir jetzt drüber reden können. Ich dachte, dass du vielleicht –da ss du wolltest, dass ich so tu ’, als ob es nie passiert wäre. Wie das andere Mal .«
Jetzt war es an Mario wegzusehen, und Tommy sah, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg.
»Oh, verdammt Tommy, ich – ich weiß nicht, was ich dir sagen soll.«
»Mario, sag mal, warst du heute Morgen böse mit mir? Hat es deshalb nicht geklappt?«
»Böse mit dir? Teufel nein, Junge.« Nach einer Weile sagte er: »Eher beschämt. Und es an dir ausgelassen.«
Sanft drehte er Tommy zu sich herum. »Ist es okay? Bist du wirklich nicht böse auf mich? Sind wir noch Freunde?«
Tommys erster Impuls war, seine Arme um Mario zu werfen, um ihm seine Gefühle zu zeigen, dann wu ss te er, obwohl er sich nicht ganz sicher war, warum, dass er es nicht konnte. Er sagte einfach: »Klar, das weißt du doch.«
»Ich glaub’, heute Morgen hab’ ich – hab’ ich versucht, was auch immer in mir drin war, zu bekämpfen. Ich weiß nicht, es schien irg endwie alles zusammenzugehören. Weißt du, was ich meine?«
Tommy nickte langsam. Er hatte schon vorher irgendwie eine verwirrte Ahnung gehabt, dass ihre Arbeit auf dem Trapez und die innere Verbundenheit, die er für Mario empfand, aus einer gemeinsamen, inneren Quelle entsprangen. »Ja, ich glaub’, ich weiß was du meinst.«
»Es lag mehr an mir als an dir, Kleiner. Du warst okay.
Ich glaub’, was auch immer es ist, das uns gut zusammen arbeiten lä ss t, dass ich heute dagegen gekämpft habe oder so. Tom, Kleiner, versprich mir was.«
»Nichts zu sagen? Das weiß ich doch, du Dussel.«
Wieder senkte Mario seinen Kopf mit dieser verlegenen Röte.
»Nein, das ist es nicht. Es ist was anderes. Hör zu, Tom, was auch immer passiert, la ss … la ss es niemals zu, dass es noch mal unsere Arbeit durcheinanderbringt. Halt es… halt es von der Plattform fern. La ss es… la ss es nie an unserer Arbeit etwas ändern. Versprichst du mir das, Tom?«
Tommy verstand nicht ganz, aber die Entschlossenheit in Marios Stimme ließ ihn fast genauso ernsthaft werden.
Er sagte: »Okay, Mario. Ich versprech’s.« Und er ahnte nicht, dass das Versprechen, das er gegeben hatte, ohne es zu verstehen, sie in ungezählten, unzählbaren Stürmen zusammenhalten lassen sollte.
Es war das einzige gegenseitige Versprechen, das sie niemals brachen.
Sie begannen in Brownsville/Texas, an einem feuchten, heißen , stickigen Nachmittag. Tommy hatte ein Dutzend kleiner Aufgaben in der ersten Hälfte der Show: Er stand am Fuß der Strickleiter und hielt das Seil für eine der Frauen im Luftballett fest. Er räumte, nach dem Auftritt eines Hundeakts, die Requisiten aus der Manege, hielt Reifen und Bälle für einen Jongleur. Die Nachmittagsvorstellung war voll von Verwechslungen und Fehlern.
Zwei Clowns stießen zusammen und trugen Beulen und blaue Flecken davon (das Publikum dachte natürlich, das sei halbwegs lustig und lachte), und ein neuer Aufbauhelfer ließ zwei Trapezsicherungen unbefestigt, folglich mu ss te der Fliegerakt fünfzehn Minuten aufgehalten werden. Die Clowns mu ss ten improvisieren, sie fluchten unten in der Manege, während Mario und Angelo erhitzt und ärgerlich hinaufkletterten, um die Seile anständig zu befestigen.
Während der ganzen Abendvorstellung bewölkte es sich. Es ging schon das Gerücht einer schnellen Vorstellung herum, aber die Artisten versammelten sich hinter dem Eingang, betrachteten den Himmel und machten düstere Voraussagen darüber, ob der Regen mitten in der Show losprasseln würde oder nicht. Ein guter Teil des Publikums war sowieso während der Pause gegangen.
Als sie sich auf den Fliegerauftritt vorbereiteten, trat Angelo aus der Tür des Trapezwagens und hielt einen Finger in den Wind.
»Mein Gott«, murmelte er. »Tommy, pa ss auf die Seile auf wie ein Adler. Bei dem Wind drehen sie sich, wenn du nur einen Moment nicht aufpa ss t. Wir müssen die Duo-Nummer auslassen. Irgendjemand sollte auf der Brücke bleiben und sich nur um die Trapezstange kümmern.«
»Okay.« Tommy versuchte lässig zu sein, aber er fühlte den seltsamen, kleinen Klumpen in seinem Hals, von dem er wu ss te, dass es Angst war. Er hatte nie zuvor bei starkem Wind gearbeitet, und er wu ss te, wie Artisten ihn ha ss ten – aus gutem Grund.
»Na ja, die Saison hatte sowieso einen fliegenden Start«, sagte Angelo
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