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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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kling’ wie ein leichtes Mädchen aus irgendeinem schlüpfrigen Film.
    Ich habe nie Zeit, dich zu lieben. Bitte, la ss mich nur hier liegen und… und dich lieben?«
    Marios Arme umfa ss ten ihn. Einen Augenblick lang dachte Tommy voller Angst, dass Mario ihn auslachte; dann fühlte er das Zittern in Marios Schultern. »Du armer, armer Junge.« Er flüsterte weiter, weiter und weiter: »Verdammt, du armer Junge, du armer Junge.« Er wiegte ihn sanft wie ein Kind, flüsterte unverständliche Zärtlichkeiten: »Ich bin so ein altes Miststück, du armes Baby.«
    »Bitte, Mario, es ist gut. Schlaf – schlaf nur ein. Ich werd’ hier nicht einschlafen. Und wenn doch, werde ich schwören, dass ich einsam war und dich solange gelöchert habe, bis du mich hast neben dir schlafen lassen. Bitte.«
    Er hielt Mario fest, bis der ältere Junge sich entspannte, ihn auch fest an sich zog und ihn sanft kü ss te. Und wie durch ein Wunder hörte es niemand, als Tommy in der dunklen Stunde vor der Dämmerung begann, leise zu kichern, denn natürlich hatten sie sich zum Schlu ss geliebt – und er fragte sich, ob er die ganze Zeit gewu ss t hatte, dass es so enden würde.

KAPITEL 16

Und dann, wie es mit unerträglichen Situationen so ist, verflogen die Schwierigkeiten und besserten sich. Vielleicht ahnte er die seelische Überforderung, vielleicht sah er nur, dass Mario deprimiert war, jedenfalls nahm Papa Tony die beiden hart heran, ließ sie die Passage lernen.
    Dieser Trick erforderte, dass beide zur gleichen Zeit in der Luft waren, wobei der eine die Stange zur Rückkehr ergriff, nachdem sie der andere losgelassen hatte. Es schien unausweichlich, dass sie sich in der Luft verheddern oder zusammenstoßen und sich gegenseitig ins Gesicht treten würden, und manchmal passierte es auch. Angelo hatte eingewendet, dass diese Nummer weit über Tommys jetzigen Fähigkeiten lag, und Tommy selbst wurde entmutigt, denn sie hatten Stunden damit verbracht und es nie ganz richtig geschafft. Es sollte noch ein Jahr dauern, bis sie es gut genug konnten, um es öffentlich vorzuführen.
    Aber es war keine vergeudete Zeit. Jetzt, da sie hart zusammen arbeiteten, war die persönliche Spannung zwischen ihnen wie von selbst gewichen. Wie immer, wenn es um ihre Arbeit ging, färbte ein eigenartig unpersönlicher Ton ihren Umgang. Wenn noch vor ein paar Wochen ein hartes Wort von Mario Tommy fast zum Weinen gebracht hätte, war es, wie früher, von Sachlichkeit geprägt. Sie übten, bis sie erschöpft waren. Tommy zitterte vor Müdigkeit, Mario hatte gereizte Wutanfälle und nannte ihn dumm, ungeschickt, hoffnungslos. Aber sie lachten und scherzten miteinander auf den langen Fahrten zwischen den Städten, beschimpften sich wegen verlegter Schuhe und Pullover und zankten sich im Guten, ohne sich je böse zu sein, über Haushaltspflichten.
    Tommy bemerkte eines Abends, dass sie drei Wochen lang nach der Abendvorstellung ihr Abendessen gegessen hatten, die Teller abgewaschen hatten und dann ohne ein persönliches Wort oder eine Berührung, außer dem kurzen üblichen Handschlag, ins Bett gefallen waren. An ein paar Abenden hatten sie einfach so zusammen in der Tür des Trapezwagens gestanden, allein und sicher, Tommys Arme um Marios Hüfte, und es schien nur friedvoll und freundschaftlich zu sein.
    Ein paar Abende später, als sie sich für die Vorstellung umzogen, sagte Mario plötzlich: »Ich glaub’, ich hab’ heute Abend Glück. Wollen wir heute Abend versuchen, den Dreifachen als Schlu ss strich zu machen, Angelo?«
    »Es ist dein Genick«, sagte Papa Tony. »Sag’s aber dem Direktor, bevor wi r dran sind, damit er es vorher ansagen kann.« Tommy fühlte, wie es sich in seiner Brust wieder verkrampfte, er fummelte nervös an der kleinen Sankt-Michaels-Medaille.
    Später, als der Kapellmeister mit dem leisen, geheimnisvollen Trommelwirbel begann, blickte Tommy Papa Tony an. Wie immer, wenn Mario die Plattform für eine der großen Nummern verließ , wandte der alte Mann abergläubisch seine Augen ab; er sah nicht einmal beim Doppelten zu. Aber Tommy konnte seine Augen nicht von dem pfeilgerade dahinzischenden Flug des aufsteigenden Körpers nehmen. Hoch und zurück und wieder heraus, höher und höher und –O Gott, das Trapez wird flattern, so hoch kannst du es nicht nehmen –er ließ die Stange los und drehte sich – eins, zwei, drei –der klatschende Griff rutschte vom Ellenbogen bis zum Handgelenk, und Tommy atmete wieder. Er nahm den

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