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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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er Angst hatte, sich durch eine zufällige Reaktion zu verraten. Er kannte Johnny im Trikot auf dem Trapez, im Umkleideraum, bei der Arbeit. Aber Johnny nur in Unterhosen, frisch aus der Dusche, mit feuchtem Haar und einem Geruch nach sauberem Schweiß und Seife – das war etwas völlig anderes. Tommy legte sein heißes Gesicht auf das Kissen und wollte, er wäre am anderen Ende der Welt. Idiot, sagte er zu sich mit wütender Bitterkeit, du verdammte Tunte.
    Mario kam herein, in ein Handtuch gewickelt, und hob seine Hosen auf, die über dem Fuß des Bettes hingen.
    »Hat er sich was verrenkt?«
    »Nein, ich glaub’ nicht. Die Muskeln scheinen alle in Ordnung zu sein. Hier, tut das weh?« Johnny drückte Tommy in eine neue Lage und machte in der Mitte seines Rückens weiter. Wieder schien er durch die einzelnen Muskelschichten zu greifen und sich die wunden Stellen herauszusuchen.
    »Du machst das wie ein Profi«, kommentierte Mario beim Zusehen.
    Johnny kicherte: »Bin ich auch. Ich habe zwei Winter lang als Trainer in einem Fitne ss club gearbeitet – woher, glaubst du, habe ich die ganzen Tricks? Ein alter Masseur hat mir viel beigebracht. Hast du Talkum? So – ist das besser, Tom?« Er massi erte sanft seine Muskeln. Tommy zuckte zusammen, und Johnny sagte: »Hey, was ist los?
    Du bist so empfindlich wie eine Katze. Kitzlig?«
    Mario suchte sich diesen Moment aus, um sich herunterzubeugen und Tommys nackten Rücken mit seinen Fingerspitzen zu berühren. Tommy sprang auf und stieß sie beide mit seinem Ellenbogen weg.
    »Hört auf!« jaulte er, und seine Stimme schlug ins Falsett um.
    Johnny sagte: »Hau ab, Matt, du machst mich nervös.«
    Mario hob seine Sachen auf und ging hinaus, Johnny beruhigte sich.
    »Setz dich einen Moment hin, Tom. Ich will eine rauchen, und ich muss dir was sagen, und ich dachte, es wäre dir lieber, wenn Matt nicht dabei ist. Zigarette?« Er hielt ihm das Päckchen hin.
    Tommy starrte auf den Teppich und murmelte: »Nein, danke.«
    »Wie du willst. Hör zu, Junge, du bist ein Nervenbündel. Glaubst du, ich merke nicht, was dir auf der Seele liegt? Wie alt bist du überhaupt? Fünfzehn?«
    »Sechzehn!«
    Ein breites Grinsen überzog Johnnys Gesicht. »Ich glaube nicht, dass du ein sehr behütetes Leben beim Zirkus gehabt hast. Aber es gibt da ein paar Dinge –, du warst wohl noch nicht oft in Saunen oder großen Umkleideräumen? Nein, das habe ich mir gedacht. Aber ich.
    Vielleicht sollte ich dir ein bi ss chen auf die Sprünge helfen, über – ach was, ich seh’ schon, du weißt , wovon ich rede.«
    Tommy wagte nicht aufzublicken.
    »Hör zu, Kind«, sagte Johnny und drückte seine Zigarette aus, »wenn dich jemand so bearbeiten würde, und du würdest überhaupt nichts fühlen« – er machte eine kurze, aber eindeutige Geste –, »wärst du bloß totes Fleisch, das ist alles, totes Fleisch. Also, pa ss auf, Junge, das hier ist ganz normal. Ich bin nicht schwul; ich bin nicht so einer, den es geil macht, an einem hübschen, jungen Hintern rumzufummeln. Dies ist etwas, was ich gelernt habe, und ich versteh’ was davon, und es bedeutet mir überhaupt nichts. Also, wirst du dich jetzt um Gottes willen entspannen und mich dich massieren lassen?«
    Tommy drehte sich um und vergrub sein brennendes Gesicht in seinen Armen. Er konnte nicht herausfinden, ob Johnny überhaupt nicht oder viel zu gut verstanden hatte.
    Am Abend, bevor sie zum Winterquartier des Zirkus Starr fahren sollten, prüfte Papa Tony sie unerbittlich auf Herz und Nieren. Danach inspizierte Lucia sie alle von Kopf bis Fuß und ging ständig unruhig um sie herum. Sie holte eine Schere heraus und schnitt die am meisten hervorstehende von Tommys Strähnen ab, rümpfte immer noch die Nase über die gebleichte Locke in Johnnys Haar und kämmte sie so, dass man sie nicht sah, konfiszierte Angelos ausgefranste Gelenkbänder und suchte ihm ein anderes Paar und lö ste eine hübsche Locke an Liss’ Schläfe.
    Sie hatten beschlossen, ihre Nummern nicht im Kostüm vorzuführen. Starr’s, ohne Zweifel die ›Big Show‹ in der Zirkuswelt, kleidete seine eigenen Nummern verschwenderisch ein, deshalb hatten die Santellis beschlossen, in ihren schlichten, einheitlichen Übungssachen zu erscheinen. Die Männer hatten schwarze Trikots an, gerade genug getragen, um nicht zu neu auszusehen, und T-Shirts, die Lucia kunstvoll strahlend weiß gebleicht hatte; Liss trug ein schlichtes, rosa Ballettschülertrikot. Diese

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