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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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nicht so machen. Es gab nur keine andere Möglichkeit, damit umzugehen.
    Nicht mit zwei Vorstellungen direkt vor uns.«
    »Ich weiß . Es ist in Ordnung.« Tommy fummelte an seinen Schnürbändern herum.
    »Hier, ich helf dir.« Zum Schlu ss entkleidete ihn Mario fast ganz, dann hielt er ihn sanft, bis er schlief.
    Einmal sagte Tommy zitternd: »Jetzt mu ss t du wirklich mein Bruder sein. Jetzt bist du alles, was ich habe.«
    Marios Stimme klang in der Dunkelheit hoch und erschüttert. »Dieser Glücksspruch in dem Keks, den ich dir nicht zeigen wollte, der hieß : Du mu ss t eine unangenehme Aufgabe übernehmen. Damit saß ich da. Ich hätte Angelo umbringen können. Fanciullo.. . Kannst du mir je verzeihen?«
    »Sicher«, sagte Tommy, fast flüsternd, »du mu ss test es tun. Die verdammten Glückskekse sind sowieso Quatsch, wie du gesagt hast.«
    Die Zugpfeife ertönte lang und traurig, als sich der Zirkuszug unter ihnen in Bewegung setzte. Der Krach der Räder, einen Moment lang grell und klappernd, dann immer schneller, wurde zu einem Rumpeln. Das lange Kreischen der Dampfpfeife ertönte wieder, und Tommy merkte, als er aus dem Fenster auf die unbekannte Stadt blickte, dass er nicht einmal wu ss te, wo sie waren oder wo ihn die Nachricht erreicht hatte. Er würde es nie wissen.
    Wieder kreischte der Ton der Zugpfeife in die fremde Nacht.
    Andiamo, me vo, ma non so dove…
    »Ich gehe«, murmelte er, »aber ich weiß nicht wohin…«
    Marios Arme s chlossen sich um ihn. »Es macht nichts«, sagte er sanft. »Du bist hier bei mir. Spielt es eine Rolle, wo du bist? Oder wohin wir gehen? Solange wir hier zusammen sind?«
    O Gott, was bin ich für ein Mistkerl. Ich möchte, dass er immer so mit mir zusammen ist. Und wenn er es ist, muss es wegen etwas wie diesem sein.. . und Schuld überwältigte ihn, dass er sogar in einem Moment wie diesem nur an Marios unerwartete Zärtlichkeit denken konnte.
     
    Die Saison ging weiter, und der Zirkus beendete seine erste Tour durch den Westen und machte sich auf zur Ostküste. In der ersten Augustwoche erlaubte Mario schließlich den Waylands, seinen Dreifachen als regelmäßigen Teil der Nummer anzukündigen, und während der ersten sechs Tage machte er ihn zweimal am Tag und verfehlte ihn bloß einmal. Paul Mainwaring, der Kunstreiterdirektor, verlegte deswegen die Santellis in die Hauptmanege, und wenn Mario auch jetzt nicht der anerkannte Star des Zirkus war (er hatte harte Konkurrenz von dem Star der französischen Reiterfamilie bekommen, der geschraubte Saltos von Pferd zu Pferd im vollen Galopp machte), so war er wenigstens der Star der Luftabteilung.
    Papa Tony nahm dies alles mit stoischen, scharfen Worten und seinem gewohnten Sarkasmus hin, aber Tommy ahnte, dass er darunter vor Stolz platzte. Tommy selbst war so überwältigt, dass es ihm Angst machte. Er hörte einmal, wie Angelo gutgelaunt zu Coe Wayland sagte: »Tommy? Oh, der Junge verehrt seinen großen Bruder über alles!« Obwohl dies Tommy so verlegen gemacht hatte, dass er mit Mario im Umkleidezelt einen Streit anfing und Mario seinen Kopf aus Rache in einen Wasserkübel steckte, erkannte Tommy irgendwo am Rand seiner Gedanken, es stimmt, das tue ich – und, verdammt noch mal, warum eigentlich nicht?
    Johnny redete seinen Bruder ironisch mit ›Signor Mario‹ an, aber Tommy wu ss te, dass auch er den Ruhm genoss , den Mario über sie alle gebracht hatte. Mario sagte wenig, sprach Angelo den Hauptverdienst zu und gab sich zurückhaltend bescheiden, was unsinnigerweise die anderen Flieger verärgerte. Coe Wayland platzte einmal heraus: »Verdammt, der Junge zieht nun einmal eine verdammt gute Nummer ab, das ist alles! Es ist unmenschlich, nicht ein bi ss chen anzugeben! Dieser Bescheidenheitskram soll euch bloß noch mehr beeindrucken, als die normale Menge Stolz!« Und Tommy, der gerade ärgerlich Mario verteidigen wollte, sich dann aber noch beherrschte, bekam schuldbewu ss t Zweifel; war nicht Marios selbstmindernde Bescheidenheit eindrucksvoller, als die angeberischen Posen der anderen Stars?
    Nur einmal quollen Marios Stolz und Zufriedenheit über. Das war über der Menge, hoch auf dem Trapez, als er auf das Brett zurückkehrte. Mit einem erhobenen Arm, als Gruß für den Applaus, ließen ihn seine schrägen Augenbrauen wie ein unmenschliches, triumphierendes Wesen aus einer anderen Welt erscheinen, das für eine Weile auf die Erde geschickt worden war, um die Erdlinge in Erstaunen zu versetzen. Er war

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