Trapez
einen Moment lang und kniete sich dann neben Papa Tony nieder. Tommy hörte ihr leises, erschrecktes »Oh!« Dann machte sie ein Zeichen und Mario schwang sich mit weißem Gesicht hinauf, hockte sich neben sie.
»Holt die Requisiteure. Hey, Tommy, hilf mir, ihn hochzuheben.«
»Ist er in Ordnung? Hey, hey Papa, Papa…« Angelo kniete neben seinem Vater, während Mario und der Requisiteur ihn auf dem Boden herabließen . Aber der Requisiteur wickelte schon den kleinen Körper im Goldtrikot, der sehr grau und eingefallen aussah, in eine Decke.
Die Schwester sagte sanft: »Er ist tot, Mr. Santelli.«
»O Gott, nein – ah, Dio …«
Einen Moment lang glaubte Tommy, dass Angelo ohnmächtig umfallen würde und hielt ihn am Arm fest.
»Angelo, bist du in Ordnung?«
Johnny stützte Angelo auf der anderen Seite. »Komm, Onkel Angelo«, sagte er leise. »Ganz langsam. Zuerst müssen wir raus hier.«
Angelo beachtete ihn nicht und sagte mit gefa ss ter Stimme: »Er kann nicht tot sein, sei nicht albern. So ein Sturz kann ihm nicht viel anhaben. Er ist schon schlimmer gefallen.«
»Ja, ich weiß «, sagte Johnny und schüttelte seinen Kopf mi ss billigend. »Aber komm, Junge, machen wir, dass wir hier rauskommen, ja?«
Für Tommy war das Groteske an dieser Szene ein Schock, als sie eng zusammen aus dem Bühneneingang gingen. Angelo sah immer noch benommen aus, aber er ging zwischen ihnen, fügsam ohne Protest, bis sie draußen waren. Dann ri ss er sich von Tommys Arm los und lief hinter der Schwester und den Männern her, die den schlaffen Körper in der Decke trugen.
»Er kann nicht tot sein«, sagte er mit sich überschlagender Stimme. »So ein Sturz könnte ihn doch nicht umbringen! Der könnte keinen umbringen!«
Die Frau legte ihre Hand fest auf seine Schulter. »Es war nicht der Sturz, Mr. Santelli. Er muss tot gewesen sein, bevor er aufs Netz aufgekommen ist. Wahrscheinlich bevor er Ihre Hände losgelassen hat. Sein Herz ist einfach in der Luft stehengeblieben.«
Angelos Gesicht wurde grau. »Er ist in meinen Händen gestorben«, sagte er, streckte seine Handflächen aus und starrte sie entsetzt an. »Er ist in meinen Händen gestorben, und ich konnte ihn nicht halten.«
Die drei folgenden Stunden waren schrecklich. Papa Tonys Leiche wurde unverzüglich und ohne Aufsehen vom Platz zum Leichenschauhaus gebracht. Johnny warf sich einen Mantel über sein Trikot und begleitete die Leiche. Das gefühllose, aber notwendige Gesetz des Zirkus schrieb vor, dass die Kranken, die Verletzten, die Sterbenden und die Toten ohne Verzögerung vom Platz geschafft wurden. Es gab einfach keine Möglichkeit, dort mit ihnen umzugehen. Angelo saß im Männerumkleidezelt auf seinem Koffer zusammengesunken und von schwerem Schluchzen ers chüttert. Andere Artisten blick ten verstohlen zu ihm hin und taten ihm dann den einzig taktvollen Gefallen in dieser Situation, sich um ihre Sachen zu kümmern und so zu tun, als ob sie nichts gesehen hätten. Mario, der ohne Scham weinte, beugte sich über ihn, mit einem Arm um seine Schultern und beschwor Angelo flüsternd aufzuhören.
»Er hat einfach losgelassen«, wiederholte Angelo fast hysterisch. »Er hat einfach losgelassen, und ich konnte ihn nicht halten. Ich konnte ihn nicht halten! Er hat einfach losgelassen!«
»Angelo, nicht, nicht. Er muss schon tot gewesen sein –
er war tot, bevor er ins Netz fiel. Es war nicht deine Schuld. Du hättest nichts tun können.«
»Er ist in meinen Händen gestorben, in meinen Händen!« Angelo spreizte wieder seine Hände und starrte sie voll verwirrtem, düsterem Schrecken an und begann dann wieder zu weinen. Er zitterte. Er schien nicht einmal Marios Stimme zu hören.
Schließlich kam Jake Davis verlegen herüber und sagte leise zu Mario: »Sieh mal, ich will mich nicht einmischen, aber ich glaube nicht, dass er noch lange durchhält, Matt. Ich glaube, dass er einen Schock hat. Gib ihm besser was zu trinken oder so was. Oder hol die Schwester wieder hierher zurück.«
»Ja, das ist eine gute Idee…«
»Coe Wayland hat immer eine Flasche Whiskey in seinem Koffer«, sagte Jake, und nach einem Moment kam er damit zurück. Mario go ss etwas Whiskey in einen Pappbecher und legte seine Hände fest auf Angelos Schultern.
»Trink aus. Komm, Onkel Angelo. Befehl!«
»Ich will es nicht.« Angelo schob seine Hand weg.
»Du trinkst dies, oder ich halte deine Nase zu und gieße es dir in den Hals!« befahl Mario. »Und dann ziehst du dich um. Wir
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