Trapez
einen Schlag versetzt hatte, der schlimmer war, als ein echter. Er versuchte verzweifelt, seine Stimme zu festigen und sagte:
»Sieh mal, es macht einen großen Unterschied zwischen dem, was in unserem Abteil im Zug hinter verschlossener Tür vor sich geht und so was hier im Umkleidezelt anzufangen, wenn gleich die ganze verdammte Show reinkommt. Was ist überhaupt in dich gefahren? Du warst es, der mir oft genug erzählt hat, wie vorsichtig…« Seine Stimme schwankte, verstummte.
»Ich wu ss te, dass du mir das eines Tages vorwerfen würdest, du kleiner Mistkerl«, sagte Mario. Er griff Tommys Arm und drehte ihn brutal hinter seinen Rücken. Tommy schrie auf und versuchte loszukommen, aber Mario zwang ihn unerbittlich auf den Boden des Zeltes. Schweigend und wild kämpfte Tommy, aber Mario drückte sein Gesicht auf den Fußboden , kniete auf seinem Rücken und hielt seinen Arm hinter ihm verdreht, so dass Tommy sich nicht bewegen konnte.
»Sag es, hab nicht so einen Schi ss , verdammt noch mal!
Du bist nicht einen verdammten Deut besser als ich. Sag, was du bist! Verdammt!«
»Was, zum Teufel!«, Jake Davis und einer der Clowns standen in der Tür des Zeltes.
Mario schnauzte: »Haut ab, das ist ein privater Streit«, und verdrehte Tommys Arm so, dass er sich nicht einen Zentimeter bewegen konnte, ohne in unmittelbare Gefahr zu geraten, seine Schulter auszukugeln.
»Sag es«, forderte Mario leise. So leise, dass die Männer in der Tür die Worte nicht verstehen konnten. »Sag es, du verdammter scheinheiliger kleiner Schwuler, sag es!«
»Ich bring’ dich um«, keuchte Tommy. Unbemerkt steigerte Mario den Druck. Tommy fühlte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat, und der Schmerz durch seinen Arm scho ss , hinter ihnen hörte er Stimmen durch einen rötlichen Nebel. Das zu sagen, dachte er verwirrt, würde aus allem, was sie füreinander gewesen waren, etwas Krankes, etwas Schmutziges machen. Er hörte Johnny sagen: »Komm, Matt, schlägst du wieder den Jungen zusammen? La ss los, bevor du seine Schulter ruinierst!«
»Ja klar«, sagte Mario mit der übertriebenen irren Fröhlichkeit, die mitten in seinen Wutausbrüchen auftauchte.
» So wie er sagt, was er sagen soll.«
Weiß vor Schmerz und Erniedrigung konnte Tommy bloß den Kreis starrender Gesichter sehen – die meisten davon sahen amüsiert aus. Sie schienen durch Marios Gelächter zu glauben, dass es irgendein Witz war. Coe Wayland sagte mit seinem hohen, barschen Lachen: »Komm, Tommy, sag’s dem Onkel. Sag ihm, dass du ein guter Junge bist!«
Johnny ging besorgt auf sie zu und sagte: »Um Himmels willen, hört mit dem Quatsch auf! La ss den Jungen los, Matt! Du tust ihm wirklich weh!«
Mario bewegte sich nicht. Schließlich gab Tommy mit einem aufbäumenden Schmerzensschrei nach. Er flüsterte: »Mario – la ss mich los, bitte!«
Mario murmelte: »Sag es oder ich brech’ dir den Arm!«
Tommy flüsterte: »Schwanzlutscher«, und fiel auf sein Gesicht in den Schmutz und schluchzte fast, als Mario seinen Arm losließ . Wie konnte er nur? Was ist in ihn gefahren? Es ist, als ob es ihm Spaß macht mir wehzutun.
Oder will er mir gar nicht weh tun?
Mario lachte laut auf. Die lose Zeltleinwand, leicht vom Wind bewegt, ließ ein seltsam gefiltertes Sonnenlicht herein, das auf dem gutaussehenden Gesicht über ihm spielte. Tommy drückte die Augen zu. Warum, warum, warum? Mario war schon vorher vereinzelt grausam gewesen, aber noch nie mit dieser konzentrierten, sadistischen Intensität. Wie damals als wir die beiden Mädchen aufgegabelt hatten. Irgendetwas passiert dann mit ihm. Plötzlich dachte er verzweifelt, als ihm einfiel wie dies angefangen hatte, wären sie doch besser hereingekommen und hätten uns dabei erwischt. Wenigstens wär das ehrlich gewesen.
»Was ist bloß los, großer Bruder?« fragte Johnny. »Ich hab’ gerade das Signal für die Parade gehört. Komm, Tommy, zieh dich um – habt ihr nichts Besseres zu tun, als euch vor einer Vorstellung zu prügeln?«
Unsicher stand Tommy auf. Er nahm das Brett heraus, das, wenn es zwischen Marios und seinem Koffer lag, den Schminktisch darstellte und stellte einen Spiegel darauf. Seine Schulter fühlte sich an, als ob jemand mit einem Hammer daraufgeschlagen hätte. Er bewegte sie vorsichtig, dann etwas freier. Er setzte sich auf seinen Koffer und fing an seine Schuhe auszuziehen, als Mario hinter ihm vorbeiging, und Tommy zischte: »Du Mistkerl!«
Mario setzte sich und sah ihn
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