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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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sagte zitternd: »Dieses Jahr sind wir gerade noch mal davongekommen. Ich dachte, wir hätten es ziemlich gut geschafft. Und dann im Umkleidezelt fängst du so was an – und brichst mir fast meine Schultern.«
    Aus Angst, dass er bei dem Gedanken an die Erniedrigung und den Schmerz anfangen würde zu weinen, wandte er sich ab. »Manchmal glaube ich, du mu ss t verrückt sein.«
    »Ich benehme mich so, nicht? Lucky, hilft es was, wenn du weißt , dass ich mich zu Tode schäme?«
    Es half nichts. Wenn überhaupt, machte es alles nur schlimmer. »Das tust du immer«, sagte Tommy, ohne sich umzudrehen. Dann flehte er mit wackliger Stimme:
    »Mario, was sollen wir tun? Sind wir uns bloß auf die Nerven gegangen? Wollen wir uns eine Weile trennen?
    Willst du mit jemand anderem das Abteil teilen?«
    »Nein«, sagte Mario mit heiserer, schrecklicher Stimme und umarmte Tommy gewaltsam. Sie standen in dem schaukelnden Abteil nah zusammen, erschöpft und unbeweglich, und es scho ss Tommy durch den Kopf, dass ein Gewaltausbruch beinahe eine Erleichterung nach so viel Gefühlsqualen war. Dann wich ohne Vorwarnung die Spannung aus Marios Gesicht, und er lehnte sich nach vorn und legte seinen Mund auf Tommys.
    » Nächstes Mal , verdammt, schlag mir vorher die Zähne ein, bevor ich in den Zustand komme.« Er sah erschöpft aus, aber das unmenschliche Elend war weg.
    Wenn er sagt: »La ss mich allein«, verlangt er nach Hilfe, und ich habe es nicht kapiert.
    Mario drehte ihn zärtlich herum. »Was macht die Schulter?«
    »Tut höllisch weh.«
    »Ich massiere besser den Muskelkater raus, oder soll ich Johnny fragen, ob er kommt und sie sich vornimmt?«
    Tommy schüttelte seinen Kopf. Johnny sieht zuviel. Er zog sein Hemd aus und legte sich in Marios Bett. Mario setzte sich neben ihn und fing an, Tommys wunde Muskeln mit unpersönlichen, harten Händen zu massieren.
    »So besser?«
    »Ja, so ist es gut.«
    Mario massierte den Muskel weiter, und nach und nach wurde aus der Berührung ein Streicheln. Dann nahm er Tommys Schultern zwischen die Hände und drehte ihn sanft um. Lächelnd beugte er sich über ihn.
    »Wir waren da noch nicht ganz fertig«, murmelte er.
    »Wir haben da was in Lawton, Oklahoma, angefangen, weißt du noch? Und wir sind hier nicht im Umkleidezelt.« Er war jetzt im Bett, in voller Länge ausgestreckt, sein Körper bedeckte Tommy, und seine Hände ruhten auf dem Kissen, auf beiden Seiten von Tommys Kopf. In diesem Moment fühlte Tommy, dass all der Schmerz und die Verzweiflung des Tages, alles Elend und alle Erniedrigung Augenblicke wie diese wert waren. Marios Lippen schlossen sich langsam über seinen, und Tommy schlo ss seine Augen und ließ sich gehen.
    Plötzlich warf Mario erstarrt und erschrocken seinen Kopf hoch und starrte bleich auf die offene Tür des Abteils.
    »Übt ihr für ein Blasorchester?« fragte Coe Wayland.
    Tommy dachte, dass er noch nie solch unverhüllten Ha ss auf einem menschlic hen Gesicht gesehen hatte. »Ihr Mistkerle. Ich bin hierhergekommen, um zu kriechen, wenn ich gemu ss t hätte, und um euch zu bitten, mir noch eine Chance zu geben. Ihr habt so getan, als ob ich Dreck unter euren Fü ss en wäre, ihr miesen Schwuchteln. Ja, unser Lackaffe hier und sein Liebhaber. Ich bin gekommen, um euch auf Knien zu bitten, meine Entschuldigung anzunehmen. Ich hab’ die Kontrolle verloren, und ich wollte mich entschuldigen, aber ich sehe schon, ihr seid zu beschäftigt!«
    Die Tür des Abteils knallte zu. Tommy, der kraftlos gegen die Wand gefallen war, zu verblüfft und zu schockiert, um völlig zu begreifen, was passiert war, hörte, wie Mario in bitteres, schallendes Gelächter ausbrach.
    »Mit den Worten eines sehr berühmten Clowns«, sagte Mario schließlich mit völlig erschöpfter Stimme: »La Commedia e finita!«
    Der Zug ratterte und schwankte unter ihnen. Mario, der immer noch von dem hysterischen Lachen erschöpft nach Luft schnappte, sprang auf, um die Tür zu verriegeln.
    »Man soll die Stalltür hinter dem Pferd zumachen –
    komm her, piccino. Komm her…«
    »Schau Mario…« Tommy kniete ängstlich neben ihm.
    »Ach was, komm doch. Was macht es jetzt noch für einen Unterschied?« sagte Mario mit diesem schrecklichen, bitteren Lachen. »Was uns betrifft, ist die Saison vorbei. Abwarten.«
    Er griff nach oben und seine Arme schlossen sich mit einem umklammernden Griff um Tommys Hals. Tommy ließ sich von Mario runterziehen und fühlte die Verzweiflung des Verlorenen hinter

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