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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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ganze Aufmerksamkeit und Begeisterung auf Mario richteten. Sie gingen zurück zum Wagen, um sich umzuziehen, Marios Hand auf Tommys Schulter. Nach einem Moment hob er sie und fragte: »Was ist das, Tom?«
    Erschreckt, ein bi ss chen verwirrt, griff Tommy nach der kleinen Medaille, die innen am Oberteil festgesteckt war.
    Ziemlich automatisch, völlig unbewu ss t, hatte er sie vom Hemd auf das Kostüm übertragen und sie an den Halssaum gesteckt, ohne sich dessen bewu ss t zu sein. Er hatte es jetzt zum ersten Mal bemerkt. Er spürte, wie er rot wurde.
    »Oh«, sagte er, »das ist das Ding, diese Medaille. Verdammt, die hast du mir gegeben!«
    »Ja, zum Teufel«, sagte Mario sanft. »Ich glaub’, er pa ss t auf uns beide auf. Ich glaub’, ich hatte Recht , ich hab’ mir gedacht, dass du mir Glück bringst.«
    Seine Augen, dunkel und leuchtend, waren fest auf Tommy gerichtet. Sie standen eine Minute lang so da, Marios Hand auf seiner Schulter. Dann seufzte der ältere Junge und lachte.
    »Na lauf schon! Deine Familie will sicher auch wissen, dass du dir nicht den Hals gebrochen hast.«
    »Mario, du bist ein wahres Wunder«, dröhnte jemand, und Tommy sah Jim Lambeth vor dem Wagen stehen.
    Hinter ihm eine Menge Artisten in Kostümen. Sie stürmten zu ihnen, um Mario zu gratulieren, und Tommy, der nicht für einen Augenblick Marios Triumph stören wollte, verschwand leise in der Dunkelheit.
    Als er über den Platz zum Wohnwagen seiner Eltern lief, hörte er jemand seinen Namen rufen. Er hielt an.
    Little Ann, einen Mantel über dem Kostüm, das sie in der Akrobatennummer mit ihrer Mutter trug, eilte auf ihn zu.
    »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du mit den Santellis auftrittst? Also ich fand, das war ganz schön gemein!«
    »Was war gemein? Ich verstehe nicht – was habe ich getan?«
    »Nicht du! Mario!« sagte sie heftig. »Hat er dir nicht mal gesagt, dass er heute Abend einen Dreifachen versuchen und alles verderben würde?«
    »Wovon redest du überhaupt?« fragte Tommy verwirrt.
    »Ich glaub’ nicht, dass er es irgendjemandem außer Angelo erzählt hat! Aber er hat es die ganze Spielzeit über versucht! Verdammt, die ganze Show weiß , dass er daran gearbeitet hat! Was ist los?«
    »Alle sind so begeistert darüber! Sie haben glatt vergessen, dass dies dein erster Auftritt war«, sagte Little Ann ärgerlich. »Ein neuer Flieger in einer Nummer ist es wert, dass man ein bi ss chen Wirbel um ihn macht, verflixt noch mal. Ich wette, er hat es mit Absicht getan. Er ist so eingebildet, dass er es nicht aushalten kann, wenn jemand anders besonders beachtet wird.«
    Tommy sah sie finster an, verblüfft, verwirrt und ein bi ss chen ärgerlich. »Mein Gott, hast du denn keine Ahnung, was Mario gerade geschafft hat? Den dreifachen Salto, Little Ann! Weißt du nicht, was das bedeutet? Nur zwei oder drei andere Flieger auf der ganzen Welt haben es überhaupt geschafft! Und in der letzten Zeit niemand außer Barney Parrish. Und der ist dabei abgestürzt! Und Jim Fortunati mit ›The Big Show‹ – er ist die Attraktion bei ›Starr’s‹! Und du glaubst, die mü ss ten meinetwegen Theater machen? Little Ann, ich glaube, du hast sie nicht mehr alle!«
    Sie wich zurück, als ob er sie geschlagen hätte. »Entschuldige bitte, dass ich lebe«, sagte sie ärgerlich, drehte sich um und rannte zu ihrem Wohnwagen. Tommy wollte ihr nachgehen – sie war seine beste Freundin, und er wollte sie nicht verärgern –, zuckte aber dann die Schultern und ließ es sein. Es war sowieso egal. Er fragte sich plötzlich, ob sein Vater ihn in der Manege gesehen hatte.
     
    Eine Woche später baute der Zirkus Lambeth für den Winter ab. Tommy war jeden Abend mit den Santellis aufgetreten und einmal in der Nachmittagsvorstellung.
    Mario hatte den Dreifachen noch einmal versucht. Am letzten Tag nach der ersten Vorstellung, als Tommy gerade seiner Mutter beim Aufräumen des Wohnwagens für die lange Reise ins Winterquartier half, blickte er auf und sah Mario in der Tür des Wohnwagens stehen. Er lief zu ihm hin.
    »Tommy, wir fahren gleich nach der Abendvorstellung los. Wir werden uns wahrscheinlich nicht mehr sehen, nur in der Nummer. Ich dachte, ich verabschiede mich jetzt schon.« Er zögerte, legte eine Hand auf die Schulter des Jungen. »Wo verbringst du den Winter?«
    »Im Lambeth-Winterquartier, irgendwo in Texas. Ich hab’ vergessen, in welcher Stadt. Warum?«
    »Oh, man weiß ja nie, vielleicht schicke ich dir eine Weihnachtskarte

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