Trapez
sich nicht sicher war, ob sie das Kind selbst mochte oder eher die Tatsache, dass Mario einen Santelli-Enkel hervorgebracht hatte. Tommy hatte Stella nie so entspannt und so froh gesehen. Sie ließ ihre Sorge für das Kind nicht mit ihrem gewohnten Training in Konflikt kommen. Sie ließ Tessa nach der Schule b ei Suzy bleiben und bot ihr an, sie fürs Babysitten zu bezahlen, aber Angelo lehnte für sie ab und sagte, dass das einfach eine Familienverantwortung sei, und Tessa mü ss te wie jeder andere ihren Teil dazu beitragen. Tessa behandelte Suzy wie eine neue Puppe und hätte sie verwöhnt, bis Stella ihr deutlich sagte, dass Suzy nicht alles dürfe, was sie wollte, sondern nur, was gut für sie sei.
Ein paar Tage, nachdem sie Suzy nach Haus gebracht hatten, kam Stella ungewöhnlich früh herunter mit Suzy, die schon angezogen war, an ihrer Seite. Lucia hob ihre Augenbrauen. Bisher war Stella selten vor zwölf Uhr aufgestanden. Stella setzte Suzy an den Tisch, holte ihr eine Schüssel Cornflakes aus der Küche und schnitt eine Banane hinein.
»Was macht ihr Mädels denn schon so früh?« fragte Johnny.
»Ich muss in die Stadt fahren und Suzy ein paar Sachen kaufen«, sagte Stella. »Ehrlich, sie hat keine Plünnen mehr. Ihre Füße stoßen durch ihre Schuhspitzen, ihre Unterwäsche gehört in die Lumpenkiste und ihre Kleider sind so kurz, dass sie sogar für ein Mädchen in ihrem Alter nicht anständig sind. Ich schäme mich schon, sie zum Anprobieren mit in den Laden zu nehmen.«
Mario kicherte und griff in seine Brieftasche. »Kauf ihr, was sie braucht, Stel. Wieviel wird es kosten?«
»Halt, warte…«, unterbrach Johnny. »Wenn wir für das Kind verantwortlich sind, können wir ihr auch die Sachen kaufen, die sie braucht. Steck das Geld weg, Matt.« Und als Stella ging, um noch ein Glas Milch für Suzy zu holen, sagte er drängend mit gedämpfter Stimme: »Komm Matt, siehst du nicht, was das für Stel bedeutet?
La ss mich das machen. Ich will, dass Stel weiß , dass ich ganz hinter ihr steh’.«
Lucia sagte streng, als Stella Suzys Toast butterte: »Es hat keinen Sinn, ihr zu viele Kleider zu kaufen, Stella. Ich habe schon einen Mantel und drei Kleider für sie zurechtgeschneidert. Und sie braucht ein Kleid für die Kirche.
Du mu ss t ins Stoffgeschäft gehen, ich geb’ dir eine Liste der Stoffe und Schnitte, die du kaufen mu ss t.«
Stella lächelte voll Zuneigung und sagte: »Ich weiß noch, das erste Jahr, als ich hier war. Du hast einen von Liss’ Mänteln für mich geändert, und du hast mir auch Kleider gemacht. Das waren die hübschesten Kleider, die ich in meinem ganzen Leben hatte.«
Lucia lächelte und tätschelte Stellas Hand. »Du hast auch in Lumpen gesteckt, die nicht viel besser als Suzys waren, nicht, Schatz?«
»Ich weiß es noch. Ich hatte nicht mal einen BH oder Schlüpfer. Du hast mir welche gegeben, aus denen Liss herausgewachsen war.« Sie beugte sich hinüber und pre ss te ihre Wange gegen die ihrer Schwiegermutter. »Du warst immer gut zu mir, Lu«, sagte sie fast trotzig.
Mario lächelte. »Na ja, Lu, du hast deine Fehler, aber ich muss sagen, dass du es nie vergessen hast, dass die beiden ersten Christenpflichten das Speisen der Hungrigen und das Kleiden der Nackten sind.«
»Ich hab’ es versucht«, gab Lucia zu und lächelte Suzy an. »Obwohl ich gestehen mu ss , dass es bei einigen Leuten mehr Spaß macht als bei anderen. Suzy sieht in rosa süß aus. Aber alle kleinen Mädchen tragen rosa, und ich habe Tessa und Cleo Maria in rosa gekleidet, bis es mir zuviel wurde. Kauf ihr einen rotkarierten Rock und einen hellroten Pullover, Stella. Ich glaube, dass sie auch in bla ss gelb hübsch aussieht, nicht? Und nächsten Sommer mache ich ihr das Kleid für ihre erste Kommunion.«
Tommy erinnerte sich beim Zuhören an einen Abend, an dem Lucia ihn mit Sonnenbrandsalbe versorgt hatte.
Und er erinnerte sich, was Cleo ihm gesagt hatte. Es war nicht so, dass Lucia Santelli die mütterlichen Instinkte fehlten. Warum war sie so unfähig, ihre eigenen Kinder zu bemuttern?
Mario und Tommy verbrachten den Morgen damit, am Trapezaufbau zu arbeiten, sie ersetzten Drähte und spleißten eins der Seile am Netz. Dann war es Zeit für das Training mit den Jungs. Mario arbeitete mit Bobby Meredith und erklärte ihm einen neuen Trick, den er ausprobieren sollte, als Bart Reeder die Treppen zum Übungsraum hinunterkam. Tommy winkte ihm zu, dass er seine Schuhe ausziehen und in den
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